2     Strömung und Wärmeübergang im Motor

 

2.1     Strömung

2.1.0     Einführung

Der Ablauf des Verbrennungsprozesses in Automobilmotoren wird durch eine Vielzahl thermodynamischer, chemischer und strömungsmechanischer Größen beeinflußt. Verbesserungen des Wirkungsgrads, Verringerung des spezifischen Brennstoffverbrauchs und Reduktion der Schadstoffemissionen und des Geräusches konnten bisher in beträchtlichem Umfang erreicht werden. Eine bedarfsgerechte Optimierung war dagegen wegen der großen Anzahl der Einflußgrößen noch nicht möglich. Soll zum Beispiel die im Brennstoff enthaltene Energie vollständig umgesetzt werden, muß das Brennstoff-Luft-Gemisch durch strömungsmechanische Beeinflussung entsprechend aufbereitet werden, sodaß der Verbrennungsvorgang optimal durch die Zündung eingeleitet werden kann.

Die zeitabhängige Strömung im Ansaugsystem und im Zylinder kann heute schon - zumindest für Modellfälle - näherungsweise mit Hilfe numerischer Lösungen der Erhaltungsgleichungen für Masse, Impuls und Energie beschrieben werden. Zur Validierung solcher Berechnungen sind Experimente erforderlich, in denen Druck, Geschwindigkeit und Temperatur nach Möglichkeit im gesamten Strömungsfeld gemessen werden. Da derartige Untersuchungen trotz erheblicher Verbesserungen und Neuentwicklungen in der Meßtechnik auch heute immer noch nicht möglich sind, wird in diesem Kapitel ausschließlich über kalte Strömungen, in denen keine Verbrennungsvorgänge ablaufen, berichtet. Die in den Untersuchungen angestrebte Ermittlung der zeitabhängigen Verteilungen von Geschwindigkeit, Druck, Dichte und Temperatur im Zylinderinnenraum erfolgte bisher nur für den Ansaug- und Kompressionstakt, um so Einblicke in die Strömung am Ende des Kompressionstaktes zu gewinnen.

Für die Verbrennung ist in diesem Zusammenhang die Ausbildung von Wirbeln während des Einlaßtaktes  [1],[2], sowie deren Entwicklung während der Kompressionsphase [3] von großer Bedeutung. In diesem Kapitel werden deshalb im wesentlichen Ergebnisse experimenteller und numerischer Arbeiten mitgeteilt, die zum Ziel hatten, diese Wirbelstrukturen näher zu untersuchen.

Im Kapitel 2.1.1 werden zunächst die in den Experimenten verwendeten Modellmotoren mit ihren charakteristischen Parametern, vor allem deren Abmessungen, dargestellt. Ferner werden Methoden zur Erzeugung des Dralls im Einlaßkanal gezeigt. Wegen des engen Zusammenhangs der verwendeten Motorgeometrie mit dem zeitabhängig zu gestaltenden Gitter für die numerische Simulation werden danach die grundsätzlichen Elemente der Gittergenerierung für die numerische Simulation der Strömung erläutert. In Kapitel 2.1.2 werden dann als erstes einige experimentelle Strömungsaufnahmen und numerische Ergebnisse gezeigt, die die wichtigsten Eigenschaften der Strömung im Ansaugkanal veranschaulichen. Danach folgen in den Kapiteln 2.1.3 und 2.1.4 Strömungsvisualisierungen, die in einem Modellmotor mit zentrischer Ventilanordnung durchgeführt wurden. Die Aufnahmen verdeutlichen die Entstehung von Wirbelstrukturen bei drallfreier Zuströmung im Einlaßtakt sowie deren Verdichtung und Zerfall im Kompressionstakt. Die Auswirkung des im Einlaß erzeugten Dralls auf die Wirbelstrukturen während der Einlaß- und Kompressionsphase wird in Kapitel 2.1.5 erörtert, und die Veränderung und Beeinflussung der Wirbel durch einen Muldenkolben im nachfolgenden Kapitel 2.1.6. Die Verwirbelung der Strömung unter motornahen Bedingungen mit exzentrischer und Mehrventilanordnung wird dann anschließend in den Kapiteln 2.1.7 und 2.1.8 beschrieben. In Kapitel 2.1.9 wird schließlich auf das Problem der zyklischen Schwankungen eingegangen.

Bei den experimentellen Visualisierungen wurden die Lichtschnittechnik und interferometrische Methoden verwendet. Die numerischen Simulationen wurden mit einer Lösung der Navier-Stokes-Gleichungen durchgeführt, die auf der Methode der finiten Volumen basiert. Es wird schon hier in der Einleitung darauf hingewiesen, daß in den Rechnungen kein Turbulenzmodell verwendet wurde. Arbeiten von Meinke et al. [4] zeigen, daß mit dieser quasi-direkten Simulation mit hinreichend hoher Auflösung die großen Wirbelstrukturen in guter Übereinstimmung mit experimentellen Daten simuliert werden können. Aus diesem Grunde wurde diese Technik in allen Simulationen verwendet.


2.1.1     Geometrien der untersuchten Motormodelle

Die im folgenden beschriebenen Strömungsvorgänge in Hubkolbenmotoren wurden in Experimenten und mit numerischen Simulationen untersucht. Dabei wurden anfangs einfache, idealisierte Motormodelle und später realitätsnahe Modelle bis hin zum Vierventil-Serienmotor verwendet. Die numerischen Simulationen wurden durch Lösungen der Navier-Stokes-Gleichungen für kompressible, zeitabhängige, räumliche Strömungen für die Randbedingungen der Experimente erstellt.

Die Geometrien der untersuchten Modellmotoren sind in Abbildung 2.1-1 und Abbildung 2.1-2 schematisch und ihre technischen Daten in Tabelle 2.1-1 dargestellt. Der optische Zugang zum Zylinderinnenraum erfolgte durch transparente Zylinder und Kolbenböden. Um den Zugang überhaupt ermöglichen zu können, mußten Zylinder und Kolben in einer bestimmten Länge ausgeführt werden. Der Blick durch den Kolbenboden erfolgte über einen stationär eingebauten Spiegel, der 45° gegenüber der Motorachse geneigt war. Der Vierventilmotor mußte zur Durchführung der Versuche umgebaut werden. Dabei blieben Kurbelgehäuse und Zylinderkopf unverändert, damit auch die Strömungsführung nicht verändert wurde. Mit Ausnahme des Modellmotors mit rechteckigem Querschnitt wurden alle Modelle so ausgeführt, daß sie mit Wasser und Luft durchströmt werden konnten.

Abbildung 2.1-2a zeigt das Wassermodell des untersuchten Serienmotors. Es wurde im Maßstab 1:1 dem Luftmotor nachgebildet und mit Drehzahlen n < 60 min-1 betrieben. Für den Betrieb wurde eine variable Ventilsteuerung entwickelt. Jedes der beiden Einlaßventile wurde durch einen Schrittmotor über einen Computer gesteuert, der über einen Kurbelwinkeldrehgeber mit der Kurbelwelle verbunden war. Die Ventilbewegung konnte simultan gesteuert werden. Auch konnten variable Ventilsteuerzeiten eingestellt werden.

Mit dem Modell des Einventil-Motors wurden umfangreiche Messungen in drallbehafteten Strömungen durchgeführt. Dabei wurden mehrere Methoden zur Drallerzeugung benutzt. Sie sind in Einzelheiten in [1] beschrieben. Als Beispiel wird in Abbildung 2.1-3a ein helixförmiger Dralleinlaßkanal gezeigt. Durch die spiralförmige Strömungsführung wird der ursprünglich radiale Massenfluß in Richtung der Zylinderachse umgelenkt. Dadurch wird der Drall in der Strömung verstärkt, jedoch die Durchflußzahl, das Verhältnis des tatsächlichen zum theoretisch möglichen Massenstrom verringert.

Als Maß für den erzeugten Drall wird die von Thien[5] definierte Drallzahl, das Verhältnis von der Umfangskomponente der Geschwindigkeit am Ort des halben Zylinderinnenradius zur Axialkomponente, benutzt. Die Axialkomponente der Geschwindigkeit wird mit dem Verhältnis von tatsächlichem Volumenstrom zu Kolbenfläche gebildet. In Abbildung 2.1-3b ist schematisch ein Dralleinlaßkanal mit veränderlicher Geometrie dargestellt. Die Zuströmung erfolgt axial, und die synchron verstellbaren Leitschaufeln erzeugen eine zusätzliche Strömungsbewegung in Umfangsrichtung. Maßgebend für die Zylinderfüllung und damit für den volumetrischen Wirkungsgrad ist die axiale Geschwindigkeitskomponente, die durch die durch die Flügelräder der Strömung aufgeprägte Umfangskomponente reduziert wird.

Einen Einlaß mit radialer Zuströmung und verstellbarem Drall zeigt Abbildung 2.1-3c. Der Drall wird hier ebenfalls durch verstellbare Leitbleche erzeugt. Ein Nachteil dieser Anordnung sind die hohen Druckverluste im Ansaugsystem. In Abbildung 2.1-3d ist ein Einlaßkanal dargestellt, in dem der Drall durch Änderung des Massenstroms in axialer und tangentialer Richtung variiert werden kann. Die Änderung wird durch Vergrößern oder Verkleinern der axialen Einströmfläche und durch Öffnen und Verschließen der tangential angebrachten Rohre erreicht. In Abbildung 2.1-3e ist das in den Experimenten verwendete Schirmventil schematisch dargestellt. Die Abbildung 2.1-3f-h zeigen einen qualitativen Vergleich der verwendeten Dralleinlaßkanäle mit Hilfe von Druckverlustbeiwerten, die in Wasserströmungen aufgenommen wurden. Aufgetragen ist der Druckverlustbeiwert z0 über dem am Strömungsgleichrichter abgegebenen Drehmoment Mt0. Der Drehimpuls wird der Strömung nahezu vollständig entzogen und als resultierendes Moment registriert.

In den numerischen Simulationen wurden ebenfalls die hier skizzierten Konfigurationen verwendet. Die für die Strömungsberechnungen erforderlichen Gitter wurden nach den angegeben Abmessungen generiert. Abbildung 2.1-2b zeigt beispielhaft das mehrblockstrukturierte Gitter für die Simulation des Vierventilmotors. Die Konfiguration besteht aus 23 Blöcken und etwa 106 Gitterpunkten im oberen Totpunkt. Die Generierung der Gitter für die einzelnen Blöcke erfolgte durch numerische Lösung der Poisson-Gleichung. Durch lokale Verdichtung der Gitterpunkte können Strömungsgebiete mit großen Änderungen der Strömungsvariablen mit einer bestimmten Genauigkeit aufgelöst werden. Die Generierung der bewegten Teile des Gitters erfolgte durch Strecken und Stauchen der Gitterlinien und durch Entfernen und Hinzufügen von Gitterpunkten.


 a             b              c             d    

Abbildung 2.1-1a-d: Schematische Darstellung von Modellmotoren. Technische Daten siehe Tabelle 2.1-1. Die Motoren werden extern angetrieben.


 a                     b    

Abbildung 2.1-2a-b:

(a): Vierventil-Modellmotor in Wasserumgebung. Technische Daten siehe Tabelle 2.1-1. Die Steuerung der Ventile erfolgt mit Schrittmotoren. Die Ventilsteuerzeiten sind variabel.

(b): Mehrblockstrukturierte Topologie des Vierventilmotors bestehend aus 23 Blöcken und 106 Gitterpunkten im oberen Totpunkt.

Bildnummer

2.1-1a

2.1-1b

2.1-1c

2.1-1d

2.1-2a

Drehzahl [min-1]

200 - 1000

200 - 1000

200 - 1000

900 - 4000

0.2 - 60

Kompressions-verhältnis

3.81 : 1

5.6 : 1

5.9 : 1

9.5 : 1

-

Hub L [mm]

100

100

100

84

84

Bohrung B [mm]

100 x 200

100

100

105

105

max. Ventilhub [mm]

-

12.5

12.5

0 - 8.7

20

Anzahl Ventile

1 Spalt

1

1

4

4

Ventilposition SE [mm]

15

0 - 24.7

0 - 24.7

exz.

exz.

Brennraum

Scheibe

Scheibe

Scheibe

Dach/20°

Dach/20°

Kolbenboden

flach

flach

Mulde

flach

flach

Querschnittsform

rechteckig

rund

rund

rund

rund

Ventilkopf-f [mm]

Spalt: 10

46.6

46.6

40

40

Totraumhöhe [mm]

35.6

21.7

2

-

-

Einlaßkanal

30°-Zuströmung

gerade und Drallflügel

gerade und Drallflügel

gekrümmt

gekrümmt

Tabelle 2.1-1: Technische Daten zu den untersuchten Motorengeometrien

Abbildung 2.1-3a-h:


 a             b              c             d             e    

(a)-(e): Verwendete Einlaßgeometrien zur Erzeugung von Drallströmungen am reali­täts­nahen Einventil-Modellmotor


 f             g              h      

(f)-(h): Vergleich der Dralleinlaßkanäle (a)-(e). Darstellung des Druckverlustbeiwertes z über dem Impulsmoment Mt oder Rotationsströmung. Das Moment wurde über einen Strömungsgleichrichter gemessen.


2.1.2     Strömung im Ansaugsystem

Verbrennungsmotoren besitzen heute in der Regel gekrümmte Ansaugrohre. Deshalb sollen hier die wesentlichen Merkmale von Krümmerströmungen aufgezeigt werden. Dabei kann nicht auf die Vielfalt realisierter Ansaugkrümmer eingegangen werden, da diese unterschiedlichen Zielsetzungen, wie z.B. den fahrzeugspezifischen Abmessungen im Motorraum, folgen. In diesem Kapitel sollen nur die prinzipiellen Strömungsvorgänge in gekrümmten Rohren untersucht werden. Dazu wird die Strömung in einem repräsentativen 90°-Ansaugkrümmer betrachtet.

Der durch die Krümmung hervorgerufene Druckgradient verursacht am Krümmerinnenrand die Ausbildung einer symmetrischen Sekundärströmung. Abbildung 2.1-4a zeigt einige im Versuch aufgenommene Streichlinien. Deutlich ist der Verlauf zweier gegenüberliegender Streichlinien von der Außen- (Gebiet höheren Drucks) zur Innenwand (Gebiet niedrigeren Drucks) zu beobachten. Die Reynoldszahl im Einlaßkanal beträgt ca. 350. Am Krümmeraußenrand wird der Ventilschaft schräg angeströmt. Es bilden sich Wirbelschleppen aus, die bei Ventilhüben bis ca. 7 mm jedoch zerfallen. Abbildung 2.1-4b zeigt mit der Aufsicht auf den Krümmer die Wirbelschleppen der Ventilschaftumströmung.

Um die Sekundärströmung am Krümmerinnenrand zu beurteilen, wird in Abbildung 2.1-5 ein Querschnitt mit unterschiedlich fluoreszierender Lösung eingefärbt. Deutlich ist das Aufrollen zweier Wirbel am Krümmerinnenrand zu erkennen. Diese Sekundärströmung ist der senkrecht zur Bildebene verlaufenden Primärströmung überlagert und bewirkt deshalb einen Material- und Energietransport ins Rohrinnere. Dadurch wird in einem einbautenfreien Krümmer das durch Ablösung entstehende Totwassergebiet verkleinert. Mit eingebautem Ventil wird die Strömung zum Krümmerende hin beschleunigt. Der dabei resultierende negative Druckgradient unterbindet die Ablösung an der Krümmerinnenwand vollständig. Der Einfluß des Krümmers im Vergleich zum geraden Einlaßkanal wird im wesentlichen bei Zylinderinnenströmungen ohne Ventileinbauten deutlich. Durch Ablösungen an der Innenwand wie auch der Verlagerung der Kernströmung zum Außenradius wird eine asymmetrische Zuströmung in den Zylinder deutlich (bei Untersuchungen zur zentrischen Zuströmung). Die Konfiguration mit Ventil zeigt, daß ein großer Teil der im Krümmer erzeugten Störungen im Ventilspalt gedämpft werden. Einen wesentlich höheren Einfluß auf die Verwirbelungen im Zylinder besitzt die Lage des Ventils im Gegensatz zur Krümmung des Ansaugrohres (siehe auch Kap. 2.1.7).

Die hier durchgeführten Simulationen wurden in Analogie mit dem Experiment mit einem kurzen Ansaugstück durchgeführt. Die nachfolgenden Abbildung 2.1-6a-d zeigen zum einen die Strömung bei drallfreier Zuströmung im Ansaugstück zum anderen bei einer 45° Umlenkung der Strömung. In beiden Fällen wird der Einfluß der Ventilgeometrie bzw. der Sitzgeometrie deutlich. Bei einem kleinen Ventilhub liegt die Strömung zwischen Ventil und Sitz an und löst erst mit zunehmendem Hub vom Sitz und Ventil ab, wobei sich ein Rezirkulationsgebiet oberhalb des Einlaßstrahls bildet. Die von der Simulation ermittelten Durchflußzahlen zeigen prinzipiell die gleiche Abhängigkeit vom Ventilhub wie sie z.B von Heywood in [6] beschrieben wird. Bei drallbehafteter Strömung erkennt man ein mit dem Ventilhub größer werdendes Ablösegebiet am Ventilschaft, welches durch die Zentrifugalkräfte hervorgerufen wird und den Massendurchsatz verringert.


 a                     b    

Abbildung 2.1-4a-b:

(a): Perspektivische Ansicht einer 90°-Krümmeransaugströmung mit Umströmung des Ventilschaftes. Deutlich ist die Ausbildung einer symmetrischen Sekundärströmung vom Krümmeraußen- zum -innenradius zu erkennen. Der Krümmungsradius beträgt 75 mm, die Reynoldszahl 350. Als Strömungsmedium wurde Wasser verwendet. Die Strömung wurde mit fluoreszierender Lösung sichtbar gemacht.

(b): Darstellung der Krümmerströmung in der Aufsicht. Die Wirkung der Ventilschaft­um­strömung wird durch die sich bildenden Wirbelschleppen sichtbar. Nach der Ablösung am Ventilschaft bilden sich Wirbelzöpfe hinter dem Ventil. Die Ähnlichkeit zu einem querangeströmten Kreiszylinder wird hier aufgezeigt.


 

Abbildung 2.1-5: Querschnitt einer 90°-Krümmerströmung. Die fluoreszierende Lösung zeigt die Charakteristik der Sekundärströmung. Aufgrund der krümmungsbedingten Radialbeschleunigung überlagert sich der in die Bildebene hineinragenden Grundströmung eine Umfangsbewegung in sowie entgegen der Uhrzeigerrichtung. Dadurch werden beim Zusammentreffen am Krümmerinnenradius zwei nahezu symmetrische und gegensinnig drehende Wirbel induziert, die einen Stoff- und Energietransport in Richtung Rohrmitte bewirken.


       b       c      d 

Abbildung 2.1-6a-d: Ventilströmung ohne Drall (a,b). Ventilströmung mit Drall (c,d). Dargestellt sind jeweils die Zustande bei 40 °KW (oben) und 90 °KW. (unten) In allen Fällen ist Strömungsablösung am Ventilsitz bei 90 °KW zu erkennen. Bei drallbehafteter Zuströmung ist ein mit dem Ventilhub größer werdendes Zirkulationsgebiet am Ventilschaft sichtbar.


2.1.3     Bildung von Wirbelstrukturen

Kohärente Wirbelstrukturen beeinflussen maßgeblich die Mischungsvorgänge im Zylinder. Das Verständnis ihrer Entstehung während der Ansaugphase ist unumgänglich für eine Optimierung des Kraftstoffverbrauches und der Schadstoffemission. Erste experimentelle und numerische Untersuchungen wurden von Ekchian [7] und Ashurst [8] für eine einfache zylindrische Geometrie mit zentrisch angeordnetem Ventil durchgeführt. Die Entstehung der kohärenten Strukturen wird dabei auf drei Mechanismen zurückgeführt:

·       Interaktion des Einlaßstrahls mit der Zylinderwand,

·       Interaktion des Einlaßstrahls mit dem Kolbenboden,

und

·       Interaktion des Einlaßstrahls mit dem Hintergrundgas.

Detailierte Untersuchungen der Ansaugströmung für diese Motorgeometrie wurden von Weiß [1] sowohl mit Wasser als auch mit Luft und Freon als Strömungsmedien durchgeführt. Die Abbildung 2.1-7a-c zeigen durch Farbinjektion die Wirbelbildung bei 35 °KW n.OT, 100 °KW n.OT und 170 °KW n.OT im Wassermodell bei einer Reynoldszahl Re = 425 im geraden Ansaugkanal. Als Folge des geringen Totvolumens (s. Tabelle 2.1-1) trifft der Einlaßstrahl zunächst auf den Kolbenboden und bildet zu beiden Seiten der Strahlflanken Ringwirbel aus. Mit zunehmendem Kolbenhub wird ein Anwachsen des inneren Ringwirbels beobachtet, wobei der äußere Ringwirbel mit diesem interferiert. Oberhalb des eintretenden Strahles bildet sich zwischen Zylinderkopf- und Wand ein Eckenwirbel aus. Weiterhin ist zu beobachten, daß der innere Ringwirbel sich nur bis zum etwa 0.8-fachen des Kolbenhubes in Achsenrichtung erstreckt. Dieses Verhalten wurde schon früher von Hoult [7] festgestellt und untersucht. Bei etwa 90 °KW n.OT, also bei maximaler Kolbengeschwindigkeit, löst die Strömung vom Kolbenboden ab und es entsteht ein dritter Ringwirbel, der bis zum Erreichen des unteren Totpunktes anwächst, Abbildung 2.1-7c. Mit schwächer werdendem Einlaßstrahl bewegt sich der obere Ringwirbel durch Selbstinduktion auf den Zylinderkopf zu und interferiert mit dem Eckenwirbel. Die aufgefächerten Streichlinien zwischen den Ringwirbeln deutete Weiß [1] als eine Instabilität bei Kurbelwinkeln in der Nähe des unteren Totpunktes. Tatsächlich ist der Strömungszustand zu diesem Zeitpunkt bisher nicht richtig verstanden. Tabacynski [9] zeigte schon früh bei experimentellen Untersuchungen, daß bei einem Hub-/Bohrungsverhältnis größer gleich 1.0 sich am Kolbenboden ein dritter Ringwirbel ausbildet, wohingegen für Verhältnisse größer 1.0 kein weiterer Ringwirbel ablöst und vielmehr zwischen dem zweiten Wirbel und dem Kolbenboden ein totwasserähnliches Gebiet geringer Geschwindigkeit entsteht. Weiß [1] hingegen beobachtet in Abhängigkeit von der Motordrehzahl beide Strömungsformen sowohl in Wasser als auch in Luft und Freon (Abbildung 2.1-8). Dieses Verhalten ist mit großer Wahrscheinlichkeit auf das gewählte Hub-/Bohrungsverhältnis von nur knapp unterhalb 1.0 zurückzuführen, da Morse[10] bei einem Verhältnis von etwa 0.7 unabhängig von der Drehzahl immer die Ausbildung des dritten Ringwirbels beobachtet. Darauf deuten auch die durchgeführten numerischen Simulationen mit Gitterpunktzahlen der Größenordnung 106 hin, die bei einem Hub-/Bohrungsverhältnis von 1.0 immer die Ausbildung des dritten Ringwirbels zeigen. Die dreidimensionale Wirbelbildung bei Reynoldszahlen der Größenordnung Re = 105 wird in der numerischen Simulation, Abbildung 2.1-9a erkennbar. Durch die Stromliniendarstellung wird der obere Eckenwirbel deutlich. Am Kolbenboden erkennt man den primären Ringwirbel, der bei einem Kurbelwinkel von 70 °KW n.OT schon deformiert ist. Der Grund hierfür liegt in der geneigten Wirbelebene der abschwimmenden Strahlwirbel, die mit dem Primärwirbel interferieren. Dies ist die Hauptursache für die von Weiß [1] beobachteten Instabilitäten des Primärwirbels. Ein Eindruck von der Komplexität der Strömung bei dieser idealisierten Motorgeometrie gibt Abbildung 2.1-9b wieder. Dargestellt sind bei einem Kurbelwinkel von 170 °KW n.OT Oberflächen konstanten Druckes. Erkennbar ist der Primärwirbel am Zylinderkopf und der Ringwirbel am Kolbenboden. Vier vom Primärwirbel ausgehende Sekundärinstabilitäten mit axialem Wirbelfluß bewegen sich in Richtung des Kolbenbodens. Diese Wirbelröhren sind offsichtlich der Grund für das beobachtete Auffächern der Streichlinien im Experiment gegen Ende der Ansaugphase. Derartige Strömungsstrukturen treten meistens dann auf, wenn die Bewegung des Sekundärwirbels, der als Nachlauf des Primärwirbels angesehen werden kann, räumlich begrenzt ist, hier durch den Kolbenboden. Die Ausbildung derartiger Sekundärinstabilitäten scheint dabei von der Reynoldszahl unabhängig zu sein. Die hier untersuchte Motorgeometrie mit zentrischer Ventilanordnung diente dazu, einen ersten Überblick über die Enstehung von Wirbelstrukturen im Zylinder zu erhalten. Die Resultate haben eine zentrale Bedeutung für das Verständnis der Wirbelbildung bei heute gebräuchlichen Mehrventilanordnungen in der frühen Ansaugphase.


 a             b              c    

Abbildung 2.1-7a-c:

(a) zeigt die Wirbelbildung im Wasseranalogiemotormodell bei einer Drehzahl von 0.2 min-1. Das Ventil ist zentrisch angeordnet, die Zuströmung verläuft durch einen geraden Einlaßkanal. Der eintretende Strahl wird beim Auftreffen auf den Kolbenboden nach innen und außen umgelenkt und rollt auf beiden Seiten zu symmetrischen Ringwirbeln ein.

(b) zeigt das Anwachsen des inneren Ringwirbels. Durch die Massenaufnahme und des damit steigenden Volumens wurde der äußere Ringwirbel durch die Zylinderwand in seinem Wachstum beschränkt und in die Totwasserecke zwischen Zylinderkopf und -wand gedrückt. Der innere Ringwirbel wächst bis zum Auftreffen des Einlaßstrahls gegen die Wand an. Der Kolben befindet sich in der Phase größter Geschwindigkeit. In axialer Richtung wird der Wirbel nicht weiter gestreckt, sodaß die Strömung vom Kolbenboden ablöst und einen dritten gegensinnig drehenden Ringwirbel formt.

(c) zeigt das Ende der Ansaugphase. Der große Ringwirbel hat sich zum Ventil zurückbewegt und den Eckenwirbel dabei zerdrückt. Der dritte sich am Kolbenboden entwickelnde Ringwirbel nimmt gleichzeitig immer mehr Masse auf. Gegen Ende der Ansaugphase zeigen jedoch die Auffächerungen der Streichlinien die zunehmenden Instabilitäten in der Strömung.


 

Abbildung 2.1-8: Lufteinlaßströmung bei KW = 145° n.OT und n = 315 min-1. Deutlich ist der große gestreckte Ringwirbel unter dem Ventil zu erkennen. Zwischen Zylinderwand und -kopf hat sich ein Eckenwirbel gebildet. Die Strömung wurde durch Bärlappsporen sichtbar gemacht.


 a             b    

Abbildung 2.1-9a-b:

(a): Kombinierte Darstellung von Stromlinien und Oberflächen konstanten Druckes bei einem Kurbelwinkel von 70 °KW n.OT. Wirbelsystem bestehend aus Eckenwirbel, Primärwirbel und abschwimmenden Strahlwirbeln. Die Ebene der abschwimmenden Wirbel ist geneigt und führt zu einer Derformation des Primärwirbels.

(b): Oberflächen konstanten Druckes bei 170 °KW n.OT. Erkennbar sind Wirbelstrukturen am Zylinderkopf und am Kolbenboden. Sekundärinstabilitäten mit axialem Wirbelfluß gehen von dem oberen Wirbel aus.


2.1.4     Verdichtung und Zerfall von Wirbelstrukturen

Für den Verbrennungsprozeß ab dem Zündzeitpunkt ist die Kenntnis über den Strömungszustand gegen Ende des Kompressionstaktes von Bedeutung. Im wesentlichen soll dabei das Verhalten der Wirbelstrukturen während ihrer Verdichtung untersucht werden. Zunächst wird dabei eine Motorenkonfiguration mit zentrischer Ventilanordnung gewählt, die keinen Drall im Einlaß erzeugt. Aufgrund der Inkompressibilität sind Ähnlichkeitsuntersuchungen mit dem Wasseranalogiemotor nicht möglich. Die Abbildung 2.1-10a-c zeigen anschaulich anhand experimenteller und numerischer Ergebnisse den Verdichtungs- und Zerfallsprozeß.

Der gestreckte Ringwirbel in Abbildung 2.1-8 bleibt über den unteren Totpunkt hinaus erhalten und wird mit zunehmender Kompression gestaucht. Ab einem Kurbelwinkel von ca. 260 °KW n.OT zerfällt der dominierende Ringwirbel, Abbildung 2.1-10a. Mit fortschreitender Kompression werden die Strukturen zunehmend regelloser und können nicht mehr als zusammenhängend angesehen werden, Abbildung 2.1-10b-c.

Aussagen über die inhomogene Dichteverteilung während der Einlaß- und Kompressionsphase werden in [2] getroffen. Beispielhaft wird in Abbildung 2.1-11a-d die Verdichtung eines in der Einlaßphase erzeugten Hauptwirbels dargestellt. Die Bilder zeigen jeweils Linien konstanter Dichte und wurden mit Hilfe der Mach-Zehnder-Interferometrie aufgenommen. Da bei diesem Meßverfahren die aus einer Lichtquelle stammenden kohärenten Laserlichtstrahlen parallel durch transparente Medien laufen müssen, wurde ein Rechteckkolbenmotor mit der in Abbildung 2.1-1a gezeigten Geometrie als Versuchsträger verwendet. Das diesem Experiment zugrundeliegende Ziel soll ausschließlich Aussagen zur Verdichtung und dem Zerfall von regelmäßigen Wirbelstrukturen ermöglichen. Aufgrund konstruktiver Vereinfachungen wurde deshalb anstelle eines Einlaßventils eine 30°-Einlaß­spaltzuströmung mit Schieberventil eingesetzt. Die Übereinstimmung der 30°-Zuströ­mung mit realen Einlaßstrahlen schien am günstigsten [2]. Abbildung 2.1-11a zeigt die Verdichtung des in der Ansaugphase entstandenen Hauptwirbels bei einem Kurbelwinkel von 230 °KW n.OT. Aufgrund der unsymmetrischen Zuströmung handelt es sich hier jedoch nicht um einen Ringwirbel, sondern um einen Walzenwirbel mit dreidimensionalem Charakter. Die zusätzliche dritte Komponente wurde in der numerischen Lösung der Navier-Stokes-Gleichungen berücksichtigt. Spätere Kurbelwinkel (Abbildung 2.1-11b-c) zeigen durch die engen Isodichtelinien hohe Ortsdichtegradienten an. Die Struktur ist weiterhin geordnet. Kurz vor Erreichen des oberen Totpunktes zerfällt die Struktur in unregelmäßige kleinere Komponenten (Abbildung 2.1-11d). Dieser Wirbelzerfall wird auch in [11] beobachtet. Der Einfluß des Wirbelzerfalls auf die spätere Verbrennung wird in [12] dargelegt.


 a  (links)               (rechts)      

 b  (links)               (rechts)      

 c  (links)              (rechts)     

Abbildung 2.1-10a-c: Zerfall der in Abbildung 2.1-8 gezeigten Wirbelstruktur im Kompressionstakt (a) zeigt bei einem KW = 275° n.OT. den durch Experiment und Numerik wiedergegebenen Strömungszustand. (b) und (c) zeigen Ergebnisse aus der Simulation. Erkennbar ist die Verdichtung sowie der Zerfall der Wirbelstrukturen.


 a    b    c   d

Abbildung 2.1-11a-d: Experimenteller und numerischer Vergleich zum Verhalten der einlaßseitig gebildeten Wirbelstruktur während der Kompressionsphase. Darstellung des Motors mit Rechteckquerschnitt sowie 30°-Zuströmung mit Schieberventil. Drehzahl: 1000 min-1. Ermittlung der Isodichtelinien mit Mach-Zehnder-Interferometrie (Experiment) und numerischer Lösung der Navier-Stokes-Gleichungen (Numerik). Die Bilder (a)-(c) zeigen eine geordnete, sich mit dem Kurbelwinkel verdichtende Wirbelwalze. Das Anwachsen der Dichtegradienten wird durch die zunehmende Anzahl von Isodichtelinien angezeigt. Erst kurz vor dem oberen Totpunkt zerfällt die große Wirbelstruktur (d).


2.1.5     Einfluß des Dralls in der Zuströmung

Bei direkteinspritzenden Dieselmotoren ist es üblich, durch geeignete drallerzeugende Einlaßkanäle während der Einlaßphase eine Umfangskomponente der Strömung zu erzeugen. Daher ist die Kenntnis des Dralleinflusses auf die während der Einlaßphase erzeugten Wirbelstrukturen und deren Entwicklung in der Kompressionsphase bis zum Zeitpunkt der Einspritzung und der nachfolgenden Zündung von Bedeutung. Zur grundsätzlichen Beschreibung der Phänomene werden zunächst Untersuchungen im inkompressiblen Fluid bei zentrischer Position des Einlaßkanals betrachtet. Zur Erzeugung der Umfangskomponente der Geschwindigkeit wurde hier der in Kapitel 2.1.1 vorgestellte Dralleinlaßkanal, Abbildung 2.1-3b verwendet.

Charakteristisch für die drallbehaftete Strömung im Zylinder sind instabile Wirbelstrukturen und die dominierende Rotation der Ladung um die Zylinderachse während der gesamten Kompressionsphase. Untersuchungen haben ergeben, daß ein freier nicht durch Berandung begrenzter Ringwirbel durch die überlagerte Umfangskomponente sofort zerfällt [1]. Im Zylinder verhindert die Wand einen frühen Zerfall. Das Strömungsfeld unterscheidet sich zur drallfreien Strömung in der frühen Einlaßphase nicht. Die Wirbelstrukturen werden lediglich durch die Umfangskomponente weiter nach außen gedrängt, sodaß der Ringwirbeldurchmesser zunimmt. Die Rotation der nach oben gerichteten Strömung auf der Mittellinie des Zylinders verursacht mit zunehmendem Kolbenhub ein annähernd kegelförmiges Totwassergebiet direkt unter dem Ventil. Hier wird später die Entstehung eines sekundären Ringwirbels beobachet, siehe Abbildung 2.1-12a.

Die Strömungsvorgänge in der Einlaßphase bei Verwendung von Luft sind prinzipiell gleich zu denen in Wasser. Aufgrund der höheren Motordrehzahl und der damit verbundenen höheren Umfangskomponente drängt der unter dem Ventil einrollende Ringwirbel radial weiter nach außen, siehe Abbildung 2.1-12b. Die senkrecht zur Mittellinie verlaufenden Bahnlinien lassen erkennen, daß die Rotationsachse der Drallströmung bezüglich der Bildebene tiefer liegt. Im Vergleich zu drallfreien Einlaßvorgängen reduziert die überlagerte Umfangskomponente die Stabilität aller Ringwirbel. Davon ausgenommen ist der obere Eckenwirbel, dem aufgrund räumlicher Begrenzungen durch feste Wände und eintretendem Fluid Verformungen nicht möglich sind. Mit fortschreitendem Kurbelwinkel verschwindet die Ringwirbelstruktur unterhalb des Ventils, siehe Abbildung 2.1-12c. Die punktförmigen Partikelspuren deuten auf die sich senkrecht zur Lichtschnittebene bewegenden Partikel hin. In der anschließenden Kompressionsphase bleibt die Drallströmung als alleinige Strömungsstruktur erhalten.

Abbildung 2.1-12d zeigt in einer radialen Ebene die Drallströmung beispielhaft bei einem Kurbelwinkel von 40 °KW v.OT.


 a             b              c             d    

Abbildung 2.1-12a-d:

(a): Einlaßströmung im Wasseranalogiemodell unter Verwendung einer zentrischen Ventilanordnung und eines flachen Kolbens bei drallbehafteter Zuströmung und einer Drehzahl von n = 3.4 min-1. In der Ansaugphase bei 110 °KW n.OT zeigt sich neben den schon bei drallfreier Zuströmung erkennbaren Wirbelsystemen ein weiterer Ringwirbel im kegelförmigen Rückströmgebiet unterhalb des Ventils. Zur Sichtbarmachung der Strömungsvorgänge in einem Lichtschnitt wurde der Strömung Farbe zugegeben.

(b)-(d): Einlaßströmung im Luftmotor unter Verwendung einer zentrischen Ventil­anordnung und eines flachen Kolbens bei drallbehafteter Zuströmung und einer Drehzahl von n = 315 min-1. Die Bilder (b) und (c) zeigen für 105° und 165 °KW n.OT, daß der unter dem Ventil einrollende Ringwirbel, der aufgrund der überlagerten Umfangskomponente des Einlaßdralls radial weiter nach außen drängt, schon bereits vor Erreichen des unteren Totpunktes wieder zerfällt. Bild (d) gibt die Strömung in einem radialen, gepulsten Laserschnitt 10 mm unterhalb des Zylinderkopfs (320 °KW n.OT) wieder. Die Drallströmung bleibt während der gesamten Kompressionsphase erhalten. Zur Sichtbarmachung der Strömungsvorgänge im Lichtschnitt wurden der Strömung Partikel zugegeben.


2.1.6     Einfluß der Kolbenbodenform

Die in den Einlaßkanälen erzeugte Ladungsbewegung beeinflußt den Verbrennungsvorgang erheblich. Die sehr schnellen Ladungswechsel, insbesondere bei höheren Drehzahlen, verursachen häufig unvollständige Mischungsvorgänge. Es liegt daher nahe, den Mischungsprozeß im Zylinder selbst durch eine entsprechende Strömungsführung während der Einlaß- und Kompressionsphase zu unterstützen bzw. noch zu erhöhen. Dies kann z.B. durch eine angepaßte Kolbenbodengeometrie erreicht werden. Am häufigsten sind dabei muldenförmige Vertiefungen unterschiedlicher Größe im sonst ebenen Kolbenboden anzutreffen. Sie haben neben der inneren Gemischbildung (dieselmotorischer Prozeß) primär die Aufgabe zu erfüllen, den frühzeitigen Zerfall der im Einlaßkanal erzeugten Wirbelsysteme zu verhindern und das Drallniveau während der Kompression zu erhöhen. Zusätzlich werden radial, nach innen gerichtete Quetschströmungen an der Muldenkante erzeugt, die zur Steigerung der Brenngeschwindigkeit beitragen können. Detaillierte Hinweise zum Einfluß der Strömungssituation auf die Verbrennung geben z.B.[13],[14].

2.1.6.1     Konfiguration mit Muldenkolben und zentrischer Ventilanordnung bei drallfreier Zuströmung

Um den prinzipiellen Einfluß einer Kolbenmulde zu bewerten, werden Strömungsbilder am Motormodell zunächst ohne Drallerzeugung gezeigt. Aufgrund der Übertragbarkeit der Wirbelstrukturen vom Wasser- zum Luftmodell werden nun ausschließlich kompressible Medien untersucht, womit auch die Strömung während der Kompressionsphase erfaßt werden kann. Die eingestellte Motordrehzahl beträgt jeweils 315 min-1. Die instationären Strömungen wurden generell durch Partikelzugabe sichtbar gemacht. Den Einfluß der axialsymmetrischen Mulde im Kolbenboden bei drallfreier Zuströmung und zentrischer Ventilanordnung zeigt die Abbildung 2.1-13. In der Kolbenmulde entsteht in der Ansaugphase ein Ringwirbel, der auch mit zunehmendem Kolbenhub unter dem Ventil erhalten bleibt. Wenn sich der Kolben so weit nach unten bewegt hat, daß der Wirbel keine Begrenzung mehr durch die Mulde erfährt, weitet sich dieser sehr schnell auf, so daß der eintretende Strahl dann die Zylinderwand tangiert. Die Ausbildung eines Staupunktes zentrisch über der Mulde mit axial nach oben und unten gerichteten Abströmungen verursacht die Entstehung eines schwachen Ringwirbels in der Mulde, Abbildung 2.1-13a. Nach der Streckung des am Ventil entstandenen Ringwirbels mit zunehmendem Kolbenhub bleibt dieser über den unteren Totpunkt hinaus bis zu einem Kurbelwinkel von etwa 260 °KW n.OT erhalten. Die mit der Kompression einsetzende, radial nach innen gerichtete Quetschströmung zwischen Kolben und Zylinderkopf erzeugt einen neuen, schwachen Ringwirbel in der Mulde, Abbildung 2.1-13b. Ursache für die Quetschströmung ist die unterschiedliche relative Kompression des im Zylinder befindlichen Fluids aufgrund der Mulde im Kolben, wobei mit dem Erreichen des oberen Totpunktes die nach innen gerichtete Geschwindigkeit maximal wird  [14]. Zum Ende der Kompression befindet sich, wie hier bei Verwendung eines Scheibenbrennraums, nahezu die gesamte Masse der Ladung in der Mulde.


 a             b    

Abbildung 2.1-13a-b: Einlaß- und Kompressionsströmung unter Verwendung einer zentrischen Ventilanordnung und eines Muldenkolbens bei drallfreier Zuströmung und einer Drehzahl von n = 315 min-1: Bild (a) zeigt in der Ansaugphase bei 115 °KW n.OT den Eckenwirbel zwischen Ventilaußenseite und Zylinderkopf, den großen Ringwirbel unterhalb des Ventils und die Ausbildung eines weiteren, schwächeren und entgegengesetzt drehenden Ringwirbels in der Mulde. Diese Strukturen werden im weiteren Verlauf gestreckt und zerfallen bei ca. 260 °KW n.OT. Die einsetzende Quetschströmung zwischen Kolbenoberkante und Zylinderkopf induziert im OT bei 360 °KW n.OT einen neuen, schwachen Ringwirbel in der Mulde, siehe (b).

2.1.6.2     Konfiguration mit Muldenkolben und zentrischer Ventilanordnung bei drallbehafteter Zuströmung

Erzeugt man in der Einlaßströmung des Zylinders mit der in Kap. 2.1.5 beschriebenen Methode einen Drall, so ergeben sich für die Einlaß- und Kompressionsphase beispielhaft die in der Abbildung 2.1-14 gezeigten Strömungszustände. Der in der Ansaugphase bei einem Kurbelwinkel von 105 °KW n.OT (Abbildung 2.1-14a) unter dem Ventilteller zu erkennende Ringwirbel ist bei Verwendung des Muldenkolbens deutlich kleiner im Vergleich zur identischen Situation mit flachem Kolbenboden. Aufgrund der überlagerten Umfangskomponente gelangt das nicht im Wirbel aufgenommene Fluid entlang der Kolbenoberfläche zum Boden der Mulde. Das an der Kante entstehende Totwasser ist in drallfreien Strömungen deutlich größer (Abbildung 2.1-13a). Im Verlauf der Kompressionsphase zerfällt der Ringwirbel schneller als der Eckenwirbel. In der Nähe von OT bei 315 °KW (Abbildung 2.1-14b) liegt nur noch die Drallströmung, gekennzeichnet durch die Punkte auf dem Filmmaterial (Partikelspuren senkrecht zur Filmebene bzw. zum Lichtschnitt) vor. In der Kolbenmulde wurde zu diesem Zeitpunkt häufig noch eine im Zentrum aufwärtsgerichtete Strömung beobachtet, die im Ursprung auf die Interaktion zwischen der Drall- und der Quetschströmung über die Muldenkante zurückzuführen ist.


 a             b    

Abbildung 2.1-14a-b: Einlaß- und Kompressionsströmung unter Verwendung einer zentrischen Ventilanordnung und eines Muldenkolbens bei drallbehafteter Zuströmung und einer Drehzahl von n = 315 min-1: Bei 105 °KW n.OT zeigt Bild (a) den Eckenwirbel und den Ringwirbel unterhalb des Ventils, wobei letzterer deutlich kleiner ist im Vergleich zum Fall mit flachem Kolbenboden. Das an der Muldenkante entstehende Totwasser ist bei drallfreier Zuströmung stärker ausgeprägt. In der Mulde entsteht keine direkt erkennbare Wirbelstruktur, doch es gelangt - bedingt durch die Umfangsgeschwindigkeitskomponente - ein erheblicher Fluidanteil unmittelbar über die Kante in die Mulde. Im Verlauf der Kompressionsphase zerfällt der Ringwirbel schneller als der Eckenwirbel. In der Nähe von OT bei 315 °KW (b) liegt nur noch die Drallströmung, gekennzeichnet durch die Punkte, vor. In der Kolbenmulde konnte häufig noch eine im Zentrum aufwärtsgerichtete Strömung beobachtet werden, die durch eine Überlagerung von Drall- und Quetschströmung über die Muldenkante zu begründen ist.


2.1.7     Exzentrische Ventilanordnung

Zur Untersuchung der Wirbelbildung unter motornahen Bedingungen werden die Strömungsvorgänge im 1-Ventil-Motor, siehe Abbildung 2.1-1c, mit exzentrischer Ventilanordnung betrachtet. Zunächst wird der Einfluß der Exzentrizität auf die Wirbelstrukturen bei drallfreier wie auch drallbehafteter Zuströmung mit flachem Kolbenboden beschrieben. Im Anschluß wird der Einfluß eines Muldenkolbens auf diese Ventilkonfiguration berücksichtigt.

2.1.7.1     Konfiguration mit flachem Kolbenboden und exzentrischer Ventilanordnung bei drallfreier Zuströmung:

Im Gegensatz zur Konfiguration mit zentrischer Ventilanordnung ist die frühe Einlaßströmung durch asymmetrische Wirbelstrukturen gekennzeichnet. Die Komplexität dieser Strukturen zeigen die Abbildung 2.1-15a-b bei einer Ansicht mit Blickrichtung schräg von unten in den Zylinderinnenraum hinein. Durch den Einfluß des Wirbelstreckungsterms werden die Strukturen sehr schnell verformt.

Die Abbildung 2.1-16a-b und Abbildung 2.1-17 zeigen die Wirbelbildung während der Ansaugphase bei einer Reynoldszahl Re = 105 im Ansaugkanal in radialen als auch axialen Lichtschnitten im Vergleich mit der numerischen Simulation. Abbildung 2.1-16a zeigt den Strömungszustand bei einem Kurbelwinkel von 75 °KW n.OT. Zu diesem Zeitpunkt ist der Eckenwirbel auf der dem Ventil gegenüberliegenden Seite zu erkennen, der in Form eines asymmetrischen Toruswirbels das Volumen oberhalb des Einlaßstrahls ausfüllt. Mit zunehmendem Kolbenhub zerfällt der Eckenwirbel, wie in Abbildung 2.1-16b bei einem Kurbelwinkel von 125 °KW n.OT deutlich wird. Morse et al. [10] beobachten in ihren Experimenten Sekundärströmungen mit axialem Wirbelfluß, die die Ringwirbel deformieren. Derartige Strukturen sind auch in Abbildung 2.1-17 in einem Abstand von 5 mm unterhalb des Zylinderkopfes zu erkennen. Gegen Ende des Ansaugtaktes verursacht der seitlich zur Symmetrieebene eintretende Massenstrom eine aufwärtsgerichtete Strömung im unteren Drittel des Zylindervolumens, sodaß sich ein weiterer Wirbel mit entgegengesetzter Drehrichtung bildet.

Abbildung 2.1-18a zeigt vergleichend das numerisch und experimentell ermittelte Strömungsfeld in der Symmetrieebene bei einem Kurbelwinkel von 225 °KW n.OT. Der Wirbel unter dem Ventil ist weitestgehend zerfallen. Lediglich der kurz vor dem unteren Totpunkt entstandene Wirbel in Zylinderwandnähe dominiert die Kompressionsphase. Wie auch bei der Konfiguration mit zentrischer Ventilposition, ist das Strömungfeld gegen Ende der Kompressionsphase durch eine aufwärtsgerichtete Strömung und torodialen Wirbelresten gekennzeichnet. Abbildung 2.1-18b zeigt den Strömungszustand im oberen Totpunkt in einer axialen Ebene und Abbildung 2.1-18c in einer radialen Ebene 13 mm unter dem Zylinderkopf.


 a             b    

Abbildung 2.1-15a-b: Asymmetrische Wirbelstrukturen bei drallfreier Zuströmung für exzentrisch angeordnetes Ventil und Scheibenbrennraum. Dargestellt sind Oberflächen konstanter Wirbelstärke. Bei 40 °KW n.OT (a) ist der derformierte Toruswirbel zu erkennen und bei 60 °KW n.OT (b) die durch Umverteilung des azimutalen Wirbelflusses hervorgerufene Streckung der Strukturen in axialer Richtung.


 a  (links)               (rechts)      

 b  (links)               (rechts)      

Abbildung 2.1-16a-b: Einlaßströmung mit exzentrischer Ventilanordnung und Scheibenbrennraum bei drallfreier Zuströmung. Gegenübergestellt sind experimentelle und numerische Ergebnisse bei 75 °KW n.OT (a) und 125 °KW n.OT (b) in der Symmetrieebene.


 

Abbildung 2.1-17: Einlaßströmung mit exzentrischer Ventilanordnung undScheibenbrennraum bei drallfreier Zuströmung. Sekundärströmung in radialer Ebene 5 mm unter dem Zylinderkopf bei 90 °KW. n.OT.


a  (links)               (rechts)      

b  (links)               (rechts)               c    

Abbildung 2.1-18a-c: Kompressionsströmung mit exzentrischer Ventilanordnung und Scheibenbrennraum bei drallfreier Zuströmung. Gegenübergestellt sind experimentelle und numerische Ergebnisse bei 225 °KW n.OT (a) und 360 °KW n.OT (b) in der Symmetrieebene; (c) in einer radialen Ebene 13 mm unter dem Zylinderkopf.

2.1.7.2     Konfiguration mit flachem Kolbenboden und exzentrischer Ventilanordnung bei drallbehafteter Zuströmung

Der Einfluß des Dralls macht sich wie beim zentrischen Einlaßkanal in der frühen Einlaßphase durch eine radiale Aufweitung der Wirbelstrukturen als Folge der Zentrifugalkräfte bemerkbar. Die prinzipielle Wirbelbildung scheint vom Drall dagegen unbeeinflußt zu bleiben, wie dies an Abbildung 2.1-19 erkennbar ist. Die Drallströmung dominiert auch bei exzentrischer Ventil­anordnung die Strömungsvorgänge während der gesamten Kompressionsphase, wobei sich das Drallzentrum um die Zylinderachse bewegt. Bis zum Erreichen des oberen Totpunktes nähert sich die Drallströmung infolge der Reibungskräfte einer Festkörperrotation. Abbildung 2.1-20a zeigt das Geschwindigkeitsfeld, das mit der Particle-Image-Velocimetry gemessen wurde, bei einem Kurbelwinkel von 340 °KW n.OT in einer radialen Ebene 13 mm unterhalb des Zylinderkopfes. Neben der dominierenden Drallströmung sind kleinere Strukturen zu erkennen, die bei einer Raumfrequenzfilterung des Geschwindigkeitsfeldes deutlicher werden, Abbildung 2.1-20b.


(links)               (rechts)      

Abbildung 2.1-19: Einlaßströmung bei drallbehafteter Zuströmung für ein exzentrisch angeordnetes Ventil und Scheibenbrennraum. Gegenübergestellt sind experimentelle und numerische Ergebnisse bei 125 °KW n.OT. in der Symmetrieebene.


 a             b    

Abbildung 2.1-20a-b: Kompressionsströmung mit exzentrischer Ventilanordnung und Scheibenbrennraum bei drallbehafteter Zuströmung. Dargestellt ist das Geschwindigkeitsfeld bei 340 °KW n.OT in einer radialen Ebene 13 mm unter dem Zylinderkopf (a). Zur besseren Beurteilung des Geschwindigkeitsfeldes sind nur 25% der Vektoren dargestellt sowie deren Beträge als Graustufen hinterlegt. (b) zeigt das Geschwindigkeitsfeld nach einer Raumfrequenzfilterung zusammen mit der Wirbelstärkenverteilung als Graustufen.

2.1.7.3     Konfiguration mit Muldenkolben und exzentrischer Ventilanordnung bei drallfreier Zuströmung

Bei Verwendung des Kolbenbodens mit axialsymmetrischer Mulde und einer exzentrischen Anordnung des Einlaßventils führt die drallfreie Zuströmung bei kleinen Kurbelwinkeln zur Ausbildung einer Wirbelwalze in der Mulde, Abbildung 2.1-21a für 75 °KW n.OT. Der eintretende Strahl wird an der Muldenkante geteilt, sodaß sich rechts oberhalb der Mulde eine gegen den Uhrzeigersinn drehende, gekrümmte Eckenwirbelwalze ausbildet. Die zeitliche Entwicklung der Strömung im Zylinderbereich entspricht der bei Verwendung eines flachen Kolbenbodens. Mit zunehmendem Hub wird die von der exzentrischen Lage des Ventils verursachte Umfangskomponente der Strömung in der Symmetrieebene zum Zylinderkopf hin umgelenkt. Im Vergleich zur Situation mit flachem Kolbenboden ist der Eckenwirbel hier zeitlich länger stabil. Ähnliches Verhalten zeigt sich wiederum bei Erreichen von 180 °KW n.OT in der Einlaßphase (Abbildung 2.1-21b). Zu diesem Zeitpunkt existieren zwei gegensinnig gekrümmte Wirbelwalzen im Zylinder, deren Zerfall zwischen 180 °KW n.OT und 230 °KW n.OT beginnt. Die in der Mulde generierte Wirbelwalze bleibt unter dem energiezuführenden Einfluß der Quetschströmung häufig bis zum Ende der Kompression erhalten, siehe Abbildung 2.1-21c. Die Ausbildung der großen Strukturen im Zylinderraum war in der Einlaßphase in allen Versuchen gut reproduzierbar, während deren Zerfall in der Kompressionsphase starken zyklischen Schwankungen unterlag.


 a                     b                    c    

Abbildung 2.1-21a-c: Einlaß- und Kompressionsströmung unter Verwendung einer exzentrischen Ventilanordnung und eines Muldenkolbens bei drallfreier Zuströmung und einer Drehzahl von n = 315 min-1: In der Ansaugphase (a), zeigt sich bei 75 °KW n.OT - aufgrund der Teilung des Einlaßstrahls an der Muldenkante - je eine stark ausgebildete Wirbelwalze in der Mulde und in der Ecke zur linken Zylinderwand hin. Die zeitliche Entwicklung der Strömung im Zylinderbereich entspricht der bei Verwendung eines flachen Kolbenbodens, (b) bei 180 °KW n.OT. Die in der Einlaßphase einrollenden großen Wirbelstrukturen im Zylinder zerfallen in der frühen Kompressionsphase, wobei durch starke zyklische Schwankungen genauere °KW-Angaben nicht gemacht werden können. Der Wirbel in der Mulde erhält weitere Energie zugeführt und bleibt oft bis zum Ende der Kompression erhalten. Wie in (c) für 345 °KW n.OT zu erkennen ist, kann durch die Art der Quetschströmung nochmals eine Energiezufuhr in den Muldenwirbel stattfinden.

2.1.7.4     Konfiguration mit Muldenkolben und exzentrischer Ventilanordnung bei drallbehafteter Zuströmung

Die Abbildung 2.1-22 zeigt die Entwicklung der Strömung bei Verwendung eines Muldenkolbens sowie der Überlagerung einer im Einlaßkanal erzeugten Drallströmung. In der frühen Einlaßphase beobachtet man in der Mulde sowie links unter dem Ventil die Entstehung gekrümmter Wirbelwalzen, siehe Abbildung 2.1-22a für 75 °KW n.OT. Nach dem halben Kolbenhub zerfallen beide Wirbel. Der eintretende Strahl wandert auf der rechten Seite über die Muldenkante und rollt für kurze Zeit zu einem instabilen Eckenwirbel ein. Auf der linken Seite erkennt man bei ca. 115 °KW n.OT das bei Drallüberlagerung typische Haften der Strömung an der Oberfläche beim Eintritt in die Mulde, Abbildung 2.1-22b. Ab diesem Zeitpunkt beginnt auch eine Umkehrung der Drehrichtung des Wirbels in der Mulde, die bis etwa 230 °KW n.OT anhält. Bei Annäherung an OT im Kompressionstakt wird nur noch die Rotation der Ladung beobachtet, Abbildung 2.1-22c. Die Wirbel, deren Achsen parallel zum Zylinderkopf verlaufen, zerfallen während der Kompression. Die Drallerzeugung im exzentrisch angeordneten Einlaßkanal reduzierte in allen untersuchten Fällen die Stabilität der in der Einlaßphase erzeugten Wirbelstrukturen nicht so deutlich wie bei der Verwendung des zentrischen Dralleinlaßkanals. Am Ende der Einlaßphase wurden bei exzentrischem Einlaßkanal immer noch eindeutige Wirbelstrukturen beobachtet. Nach der Kompression existiert nur noch die Drallströmung, deren Drallstärke bei Verwendung des Muldenkolbens deutlich größer ist.


 a                     b                    c    

Abbildung 2.1-22a-c: Einlaß- und Kompressionsströmung unter Verwendung einer exzentrischen Ventilanordnung und eines Muldenkolbens bei drallbehafteter Zuströmung und einer Drehzahl von n = 315 min-1: In der frühen Einlaßphase bei 75 °KW n.OT wird in der Mulde eine im Uhrzeigersinn drehende Wirbelwalze geformt, (a). Durch die Scherschicht des eintretenden Fluids wird eine weitere, kleine, gekrümmte Wirbelwalze links unterhalb des Ventils gebildet. Beide Strukturen zerfallen, wie in (b) bei 115 °KW n.OT zu sehen ist, sehr schnell. Durch die Überlagerung der Strömung mit einer Drallkomponente wird die ursprüngliche Drehrichtung des Wirbels in der Mulde umgekehrt, siehe (c) bei 225 °KW n.OT. Ab etwa 230 °KW n.OT in der Kompressionsphase zerfällt auch diese Struktur wieder, so daß mit zunehmendem Hub nur noch die Rotation der Ladung beobachtet wird.


2.1.8     Mehrventilanordnung

Ein Ziel der Untersuchung von Motorinnenströmungen ist die Anwendung von experimentellen Meßmethoden sowie die numerische Simulation auf reale Motorgeometrien. Die Interpretationsmöglichkeit der Ergebnisse dienen dem Verständnis der Strömungsphänomene in realen Verbrennungsmotoren während der Ansaug- und Kompressionsphase.

Die Particle-Image-Velocimetry (PIV) bedarf eines vollständigen optischen Zugangs in das Meßvolumen zur Bestimmung ebener Geschwindigkeitsverteilungen (Kap. 6). Konstruktive Änderungen, die den realen Prozeß nicht beeinflussen, sind deshalb notwendig. Abbildung 2.1-1d zeigt die Querschnittsskizze eines modifizierten Serienmotors, der bis auf die Länge des Feuersteges, die geometrischen Größen und mechanischen Funktionen beibehalten hat. Mit dieser Konfiguration wird die kalte Strömung in der Einlaß- und Kompressionsphase untersucht. Der hier verwendete Originalmotor besitzt praktisch keine einlaßseitig erzeugte Ladungsbewegung. Mit den in [5],[15] beschriebenen stationären Drall- und Tumblemeßverfahren werden an diesem Modell sehr geringe Drallzahlen, sowie ein kurz vor dem Maximalventilhub ablösender, kurzlebiger Tumblewirbel festgestellt. Kleinere Strukturen, wie das Einrollen unter dem Ventilteller der am Ventil abgelösten Einlaßströmung verdeutlichen die Abbildung 2.1-23. Diese Streichlinienbilder zeigen einen mittigen Schnitt durch Ein- und Auslaßventil des in Abbildung 2.1-2a gezeigten Wassermotors. Die Drehzahlen betragen n = 0.2 min-1. Die Auswertung einer PIV-Videoaufnahme bei n = 0.4 min-1 im Wassermotor zeigt Abbildung 2.1-24a. Hier ist eine hinsichtlich Einlaßstrahl und Wirbelbildung ähnliche Struktur wie in Abbildung 2.1-23b zu erkennen. In Abbildung 2.1-24 wird die Anfahrströmung, d.h. zu Beginn des Ansaugtaktes (KW = 10° n.OT) am 4-Ventil-Motor in einem radialen Lichtschnitt gezeigt. Durch die Strahlumlenkung am Kolbenboden in eine Radialebene wird die Auswertung mit der PIV begünstigt. Deutlich sind zwei gegensinnig drehende Zirkulationsgebiete in der Nähe der Einlaßventile zu erkennen. Aufgrund der unterschiedlichen Strömungsführung der beiden Einlaßkanäle existiert zu diesem Zeitpunkt bereits eine leichte Unsymmetrie. Aufgrund des Wirbeleinrollens in Zylinderwandnähe, insbesondere auf der Einlaßventilseite sind kleine Geschwindigkeitsvektoren zu erkennen. Dies wird in Abbildung 2.1-23a im axialen Lichtschnitt deutlich. Da zwischen den Einlaßventilen und der Zylinderwand nur ein sehr kleiner Spalt freigegeben wird, ist hier zu Ansaugbeginn ein schnell rotierender Wirbel zu erkennen. Gleichzeitig wird in Abbildung 2.1-24b deutlich, daß keine erkennbare Drallströmung vorliegt. Dies stimmt mit den Ergebnissen der stationären Durchflußmessung überein. Die im Wasseranalogiemotor gezeigten Ergebnisse dienen als a priori-Randbedingungen für die Anwendung der PIV-Meßtechnik am luftdurchströmten Realmotor. In

Abbildung 2.1-25 wird hierzu ein erstes Ergebnis bei einem Kurbelwinkel von 90 °KW n.OT und einer Drehzahl von 1000 min-1 gezeigt. Aufgrund der hohen Anforderung an den Dynamikbereich bei der PIV (s. Kap. 6) und der dreidimensionalen Strömung ist eine vollständige Ebene mit der PIV zur Zeit nicht auswertbar. Teilbereiche zeigen jedoch, daß ein Einrollen von Wirbeln auf der Einlaßventilseite ebenfalls stattfindet. Wie schon in Kapitel 2.1.3 beschrieben, werden die Strukturen im kompressiblen Strömungsmedium gestreckt.

Die Abbildung 2.1-26 und Abbildung 2.1-27a zeigen zwei Darstellungen des Strömungsfeldes während der frühen Ansaugphase aus der numerischen Simulation bei einer Drehzahl von jeweils n = 3000min-1. In Abbildung 2.1-26 sind in einer Ansicht schräg von unten in den Zylinderinnenraum hinein zwei Ringwirbel unterhalb der Einlaßventile zu erkennen, die mit zunehmendem Kurbelwinkel anwachsen und den Zylinderinnenraum dominieren. Zwischen den Ventilen kommt es zu einer Interaktion der beiden Einlaßstrahlen, was in Abbildung 2.1-27a deutlich wird. In diesem Schnitt durch die beiden Einlaßventile ist auch die Interaktion der Einlaßstrahlen mit der Zylinderwand und dem Kolbenboden deutlich. Das Geschwindigkeitsfeld bei einem Kurbelwinkel von etwa 120 °KW n.OT zeigt Abbildung 2.1-27b. Erkennbar sind die angewachsenen Wirbelringe unterhalb des Ventils sowie die Entstehung kohärenter Strukturen, als Folge der Interaktion der Einlaßstrahlen mit dem Hintergrundgas.


 a                     b                    c    

Abbildung 2.1-23a-c:

(a): Einlaßströmung des realen 4-Ventilmotors bei einem Kurbelwinkel von 73° n.OT und einer Drehzahl von 0.2 min-1 im Wasseranalogiemodell. Darstellung der fluoreszierenden Streichlinien. Auf der rechten Seite erkennt man einen schnell anwachsenden Wirbel. Durch die bezüglich des Zylinders unsymmetrische Geometrie ist hier jedoch kein geschlossener, symmetrischer Wirbelring (s. Kap. 2.1.3) vorhanden. Auf der gegenüberliegenden Seite rollt sich etwas später ein Ventiltellerwirbel ein. Aufgrund des Dachbrennraums und der zylinderwandabgewandten Seite ist dort ein größeres Volumen vorhanden, sodaß die Ausdehnungs- und Rotationsgeschwindigkeit geringer ist. Das Einrollen der beiden Wirbel bewirkt eine entgegen der Kolbenbewegung gerichtete Aufwärtsströmung zwischen den Wirbeln.

(b): Einlaßströmung bei KW = 88° n.OT. Das Anwachsen beider Wirbel ist deutlich zu erkennen, wobei jedoch die linksseitige Struktur sich nicht weiter zur Zylinderwand hin ausdehnt. Ausgeprägt ist die aufwärtsgerichtete Strömung zwischen den Wirbeln.

(c): Einlaßströmung bei KW = 100° n.OT. Wie in Kap. 2.1.3 werden die Streichlinien durch Instabilitäten aufgefächert. Die Wirbelsysteme haben ihr maximale Ausdehnung erreicht. Der Kolben bewegt sich im Bereich größter Geschwindigkeit, sodaß die Aufwärtsströmung zu diesem Zeitpunkt abgenommen hat.


 a                     b    

Abbildung 2.1-24a-b:

(a): PIV-Auswertung am Wasseranalogiemodell bei n = 0.4 min-1, KW = 92° n.OT. Deutlich sind die beiden einrollenden Wirbel unter dem Ventil in unterschiedlicher Größe zu erkennen. Die aufwärtsgerichteten Vektoren etwa in der Mitte des Zylinders indizieren die in Abbildung 2.1-23b gezeigte Aufwärtsströmung.

(b): Radialschnitt am Kolbenboden zu Beginn der Ansaugphase (KW = 10° n.OT, n = 0.23min-1). Durch die Umlenkung am Kolbenboden ist eine ausgeprägte und mit der PIV gut auswertbare Radialströmung zu erkennen. Die Ausbildung der Strömung ist nahezu axialsymmetrisch, sodaß keine einlaßseitig erzeugte Drallbewegung in diesem Serienmotor vorliegt. Die Vektoren in Zylinderwandnähe indizieren Geschwindigkeiten senkrecht zur Zeichenebene (siehe auch Abbildung 2.1-23a in Zylinderwandnähe).


 

Abbildung 2.1-25: PIV-Auswertung des Strömungsfeldes einer Ebene im 4-Ventil-Motor bei 90 °KW n.OT und n = 1000 min-1. Die Bereiche ohne Information deuten auf eine Überschreitung des auswertbaren Dynamikbereiches bzw. die dreidimensionale Strömung hin.


 a    

Abbildung 2.1-26: Oberflächen konstanten Druckes bei einem Kurbelwinkel von 70 °KW. Ansicht von unten in den Zylinderinnenraum hinein. Zu sehen sind Ringelwirbelstrukturen unterhalb der Einlaßventile. Zwischen den Ventilen kommt es zu einer Interaktion der beiden Wirbel.


 a                     b    

Abbildung 2.1-27a-b: Geschwindigkeitsverteilungen bei 70 °KW n.OT (a) und 120 °KW n.OT (b). Bild (a) zeigt in einem Schnitt durch die beiden Ventile die Wirbelbildung und die Interaktion der Einlaßstrahlen mit der Zylinderwand und dem Kolbenboden. Die Ausbildung kohärenter Strukturen durch die Strahlinteraktion mit dem Hintergrundgas zeigt Bild (b) in einem Schnitt durch eines der beiden Einlaßventile.


2.1.9     Zyklische Schwankungen

Zur Beschreibung und Vorhersage der Strömungsvorgänge in Kolbenmotoren sind zyklische Schwankungen zu berücksichtigen. Bei experimentellen Untersuchungen führen diese zu Problemen bei der Interpretation der Meßwerte, wenn diese aus verschiedenen Zyklen stammen. Gleichzeitig ist eine Trennung verschiedener Schwankungsanteile, die sich aus zyklischen und turbulenten Schwankungen sowie Fehlern bei der Aufnahme und Auswertung der Meßwerte ergeben, schwierig. Daher ist die Kenntnis der Form und Größenordnung der zyklischen Schwankungen zur Interpretation der Strömungsvorgänge und zur sinnvollen Nutzung der Meßtechniken notwendig. Im Gegensatz dazu wird bei numerischen Simulationen meistens nur ein Zyklus mit jeweils gleichen Anfangs- und Randbedingungen berechnet, sodaß zyklische Schwankungen nicht erfaßt werden bzw. nicht auftreten. Hervorgerufen werden die zyklischen Schwankungen durch Instabilitäten während der Einlaßphase und durch die Deformation und den Zerfall der Wirbelstrukturen während der Kompressionsphase.

In diesem Kapitel werden anhand einer untersuchten Konfiguration die Zusammensetzung und Größenordnung der zyklischen Schwankungen beschrieben. Hierzu wurden Strömungsgeschwindigkeiten im Zylinder des Motormodells (Abbildung 2.1-1c) bei einer Motordrehzahl von n = 300 min-1 mit der Particle Image Velocimetry (Kap. 6) gemessen. Der Einlaßströmung ist mit einem exzentrisch angeordneten drallerzeugenden Einlaßkanal eine Umfangskomponente überlagert. Zur Beurteilung der Schwankungen werden zwei Versuchsreihen mit jeweils 13 direkt aufeinanderfolgenden Zyklen bei gleichen Kurbelwinkeln und Strömungsebenen betrachtet.

Abbildung 2.1-20a zeigt den Strömungszustand einer radialen Ebene 13 mm unterhalb des Zylinderkopfes bei einem Kurbelwinkel von 340° n.OT. Die Auswertungen zeigen eine bei diesem Kurbelwinkel dominierende Drallströmung mit kleineren Strukturen im Zentrum. Ein direkter Vergleich der Geschwindigkeitsfelder verschiedener Zyklen zeigt qualitativ keine deutlichen Unterschiede auf.

Durch eine Ensemblemittelung werden die Schwankungsanteile herausgefiltert, Abbildung 2.1-28a. Das Geschwindigkeitsfeld zeigt ein von der Zylinderachse verschobenes Drallzentrum und einen Bereich höherer Geschwindigkeiten auf der dem Ventil gegenüberliegenden Seite. Abbildung 2.1-28b zeigt die Streuung der Geschwindigkeitsbeträge über die Zyklen, die im Zentrum des Zylinders die größten Werte annehmen.

Durch eine Raumfrequenzfilterung können die Geschwindigkeitsfelder in zwei Frequenzbereiche aufgeteilt werden. Dabei ergeben sich aus einer Tiefpaßfilterung die Grundströmung und aus einer Hochpaßfilterung kleinere Strömungsstrukturen. Die ermittelten Grundströmungen unterscheiden sich dabei nur geringfügig vom Ensemblemittel. Deutlich sichtbare Unterschiede zeigen die hochfrequenten Anteile, die über dem gesamten Strömungsfeld verteilt sind, Abbildung 2.1-29a/b. Beide Geschwindigkeitsfelder zeigen unterschiedliche Strukturen, die erst durch die Filterung sichtbar werden. Zur Beurteilung der Größenordnung der Schwankungsanteile wird die Differenz der Geschwindigkeitsfelder von aufeinanderfolgenden Zyklen gebildet. Dabei werden beide Frequenzbereiche gesondert betrachtet. Die Berechnung der RMS-Werte zeigt, daß sich die zyklischen Schwankungen aus Anteilen der Grundströmung und der hochfrequenten Anteile zusammensetzen, Abbildung 2.1-30.

Einflüsse zyklischer Schwankungen in der numerischen Simulation wurden für den Rechteckmotor (Abbildung 2.1-1a) mit und ohne Stufenkolben untersucht [16]. Die Abbildung 2.1-31a-b zeigt einen Vergleich der Dichtelinien für verschiedene Ansaugtakte bei einem Kurbelwinkel von 30 °KW n.OT und einer Drehzahl von n = 750 min-1. Der Einlaßstrahl tritt unter einem Winkel von 30 °KW n.OT in den Zylinder ein.

Abbildung 2.1-31a zeigt links den Strömungszustand im ersten Ansaugtakt und rechts den Strömungszustand bei gleichem Kurbelwinkel nach drei vorangegangenen Ansaug- und Ausschiebetakten. Im oberen Teil des Zylinders befindet sich ein Wirbel, dessen Intensität mit jedem Hub ansteigt. Diese im oberen Totpunkt vorhandene Wirbelstruktur dominiert jeweils die Strömung des darauffolgenden Hubes. Beim Stufenkolben bleibt der obere Wirbel beim Ansaugen in der Mulde liegen und entwickelt sich zum Hauptwirbel, da er ständig vom Einlaßstrahl mit Drall versorgt wird, Abbildung 2.1-31b. Bei mehreren Hüben beeinflußt dieser Wirbel die Ausbildung des Einlaßstrahls und die Entstehung neuer Wirbel an den Strahlflanken. Diese Simulationen belegen, daß zyklische Schwankungen durch die numerische Simulation erfaßt werden können und die Enstehung kohärenter Strukturen beeinflussen.


 a                     b    

Abbildung 2.1-28a-b:

(a): Ensemblemittel der Geschwindigkeitsfelder in einer radialen Ebene 13 mm unter dem Zylinderkopf bei 340 °KW n.OT. Die Motordrehzahl beträgt n = 300 min-1. Der Einlaßströmung ist mit einem Dralleinlaßkanal eine Umfangskomponente überlagert.

(b): Standardabweichung der Geschwindigkeitsfelder in einer radialen Ebene 13 mm unter dem Zylinderkopf bei 340 °KW n.OT. Die Motordrehzahl beträgt n = 300 min-1. Der Einlaßströmung ist mit einem Dralleinlaßkanal eine Umfgangskomponente überlagert.


 a                     b    

Abbildung 2.1-29a-b: Hochpaßgefiltertes Geschwindigkeitsfeld zu zwei aufeinanderfolgenden Zyklen in einer Ebene 13 mm unter dem Zylinderkopf.


 

Abbildung 2.1-30: RMS-Werte der Differenzgeschwindigkeiten von tiefpaß- und hochpaßgefilterten Geschwindigkeitsfeldern aufeinanderfolgender Zyklen.


 a                     b    

Abbildung 2.1-31a-b:

(a): Dichteverteilung im Rechteckmotor beim Ansaugen aus der Ruhe (links) und nach drei Ansaug- und Ausschiebetakten (rechts).

(b): Konfiguration mit Stufenkolben

2.1.10     Zusammenfassung

In diesem Kapitel wurden die Strömungsvorgänge im Zylinder von Hubkolbenmotoren für unterschiedliche Konfigurationen für die kalte Strömung während der Einlaß- und Kompressionsphase experimentell und numerisch untersucht. Im Mittelpunkt standen die Bildung und der Zerfall von großen Wirbelstrukturen, sowie deren Wechselwirkungen untereinander und mit den Berandungen.

Durch numerische Integration der vollständigen Navier-Stokes-Gleichungen wurden erstmals die großen Wirbelstrukturen der dreidimensionalen und instationären Strömungsvorgänge simuliert. Hierbei wurde bewußt auf eine Turbulenzmodellierung verzichtet. Es wurden neue Methoden zur Identifikation von Wirbeln entwickelt, die auch deren zeitliche und räumliche Verfolgung ermöglichen. Für die experimentellen Untersuchungen wurden extern angetriebene Motoren für Wasser und Luft aufgebaut. Transparente Zylinder und Kolben ließen die Anwendung optischer Ganzfeldmethoden zu (Interferometrie, Lichtschnittechnik, PIV).

In der frühen Einlaßphase ist der Einlaßstrahl und dessen Wechselbeziehung mit der Zylinderwand, dem Kolbenboden und dem Hintergrundgas für die Entstehung von großen Wirbelstrukturen verantwortlich. Mit Beginn der Kompressionsphase werden die großen Wirbel zunächst komprimiert, um anschließend teilweise oder vollständig in kleinere turbulente Strukturen zu zerfallen.

Am Beispiel eines Rechteckmotormodells konnte erstmalig in guter Übereinstimmung zwischen numerischen und experimentellen Ergebnissen der Zerfall der großen Wirbelstrukturen während des Kompressionstaktes gezeigt werden. Die Vergleiche rechtfertigen im nachhinein die Annahme, daß im Ansaugtakt der turbulente Impulsaustausch keinen großen Einfluß auf die großskaligen Strukturen hat. Die Kombination aus Experiment und numerischer Simulation machte die Untersuchungen sehr erfolgreich, wie folgendes Beispiel verdeutlicht. Im Experiment wurden beim axialsymmetrischen 2-Ventil-Motor in Ansaugtakt Instabilitäten bei der Wirbelentstehung festgestellt. Anhand der vollständig in Raum und Zeit vorliegenden numerischen Daten konnten diese mit Störungen des Primärwirbels von kleineren Wirbeln, die an den Flanken des Eintrittsstrahls stetig generiert werden, erklärt werden. Die Strömung im 2-Ventil-Motor mit drallerzeugenden Einlaßkanal ist charakterisiert durch instabile Wirbelstrukturen. Freie Ringwirbel, deren Wirbelkern nicht an der Berandung endet, zerfallen sofort durch die überlagerte Drallströmung. Mit der PIV-Methode konnten zyklische Schwankungen sichtbar gemacht und quantifiziert werden. Diese werden hervorgerufen durch Instabilitäten der Wirbelgenerierung und deren Zerfallsprozesse. Es wurde gezeigt, daß zyklische Schwankungen auch in den numerischen Lösungen enthalten sind. Vorgestellt wurden auch Messungen und Simulationen der Innenströmung eines 4-Ventil-Serienmotors bei realistischen Drehzahlen. Hier entstehen in der frühen Einlaßphase unter den beiden Einlaßventilen Ringwirbel, die zunächst den Zylinderinnenraum dominieren.

In zukünftigen Untersuchungen sollen Grobstruktursimulationen (LES) möglich werden, die auch die turbulente Strömung im Ansaugrohr und Zylinder richtig beschreiben. Für weitere experimentelle Untersuchungen sollen Meßtechniken entwickelt werden, die dreidimensionale Strömungen erfassen können. Das verdeutlichen insbesondere die Ergebnisse der Strömungssimulation des 4-Ventil-Motors. Geeignet für die Vermessung der räumlichen Geschwindigkeitsfelder ist z. B. die PIV-Methode in Verbindung mit einer holographischen Aufzeichnung oder einem schnellen Lichtschnitt-Scanning. Bei einer Anwendung dieser Verfahren im Experiment und in der numerischen Simulation wird in naher Zukunft eine weitestgehend vollständige Beschreibung der Motorinnenströmung für realistische Motorkonfigurationen gelingen.


2.1.11     Literaturverzeichnis



[1]      A.H. Weiß: „Experimentelle Untersuchung der Verwirbelung von Strömungen im
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          quaderförmigem Innenraum“, Dissertation, RWTH Aachen, 1991

[3]      E. Krause et al.: „Zeitabhängige, kompressible, räumliche Motorinnenströmungen“,
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[9]      R.J. Tabaczynski: „The role of fluid mechanics in spark-ignition engine design“, Int.
          Symp. on Flows in IC-Engines III, 1985

[10]    Morse et al.: „The flow characteristics of an piston-cylinder assembly with an
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[11]    C. Arcoumanis, H.G. Green, K.J. Wong: „Flow Structure Visualization in Reciprocating
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[12]    S.E. Trautwein: „Untersuchung des Einflusses der Turbulenz auf die Flammenaus-
          breitung unter motorischen Bedingungen“, Dissertation, RWTH Aachen, 1989

[13]    I. Nagayama et al.: „Effects of Swirl and Squish on S.I. Engine Combustion and
          Emission“, SAE Paper 770217, 1977

[14]    Y. Shimamoto, K. Akiyama: „A study of squish in open combustion chambers of a
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[15]    R. Wurms: „Einfluß einlaßseitig erzeugter Ladungsbewegung auf das Betriebs-
          verhalten von Vierventil-Ottomotoren“, Dissertation, RWTH Aachen, 1994

[16]    J. Klöker: „Numerische Simulation einer dreidimensionalen, kompressiblen, reibungs-
          behafteten Strömung im Zylinder eines Modellmotors“, Dissertation, RWTH Aachen,
          1992



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