1     Einleitung

Das Bestreben des Menschen, sich den Unannehmlichkeiten schwerer körperlicher Arbeit zu entziehen, hat im vergangenen Jahrhundert auch zur Erfindung der Verbrennungskraftmaschine geführt. 1876 schuf Nikolaus August Otto den nach ihm benannten Motor. Das von ihm in einer Hubkolbenmaschine erstmals ausgeführte Viertaktverfahren bildete zugleich die Grundlage für Rudolf Diesels Entwicklung einer „rationellen Wärmekraftmaschine“, die er 1897 verwirklichen konnte. Der Otto-Gasmotor war in der Lage, in Fabriken zahlreiche menschliche Arbeitskräfte zu ersetzen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts verdrängte der Verbrennungsmotor schon in der heute bekannten Konzeption als Otto- bzw. Dieselmotor aufgrund seines besseren Wirkungsgrades schließlich auch die Dampfmaschine. In der Folgezeit wurde er ständig verbessert und weiterentwickelt, so daß sich ihm nach und nach immer neue Anwendungsmöglichkeiten erschlossen. Heute ist der Verbrennungsmotor vor allem für das Transportwesen von herausragender Bedeutung. Als Beispiel sei hier nur das Auto genannt, das sich noch immer einer nahezu uneingeschränkten Akzeptanz erfreut.

Angesichts des Alters dieser Erfindung und ihres hohen Entwicklungsstandes mag man geneigt sein, den Sinn heutiger Forschung am Verbrennungsmotor in Frage zu stellen. Derartige Zweifel sind allerdings eher verhalten gegenüber dem Vorwurf, das vom Verbrennungsmotor angetriebene Kraftfahrzeug belaste unsere Umwelt. Es sei daher sinnvoller, so manche Kritiker, statt in die weitere Erforschung einer so alten Maschine beträchtliche Gelder zu investieren, die Entwicklung alternativer, d.h. vor allem umweltgerechterer Techniken voranzutreiben.

In der Tat ist die Umweltbelastung durch die Verbrennung fossiler Energieträger, unter anderem auch im Motor, nicht zu leugnen. Es geht dabei nicht nur um den Smog in Großstädten, sondern in den letzten Jahren vermehrt um das Problem der Kohlendioxidemission, die im derzeitigen Ausmaß nach Ansicht vieler Wissenschaftler zu einer globalen Erwärmung führen wird (Treibhauseffekt). Insofern ist die Forderung nach alternativer Technik zur Energieerzeugung und -umwandlung nur allzu berechtigt. Als ein Beispiel sei hier der Elektromotor genannt, der gern als Musterexemplar einer emissionslosen Antriebsquelle herangezogen wird. Doch haben Versuche in jüngster Zeit viele Schwierigkeiten offenbart (in erster Linie die Speicherung der elektrischen Energie betreffend), die eine baldige Anwendung im großen Umfang nicht erwarten lassen. Zudem ist die Nullemission dieses Antriebs nur von lokaler Art, da zur Stromerzeugung in heutigen Kraftwerken hauptsächlich fossile Primärenergieträger verfeuert werden.

Sowohl kurz- als auch mittelfristig wird daher der Verbrennungsmotor die vorherrschende Antriebsquelle im Kraftfahrzeug, im Schiff und nicht zuletzt auch in der Landwirtschaft bleiben, die ohne diese Maschine nicht ihre hohe Leistungsfähigkeit aufrechterhalten könnte, was aber vor dem Hintergrund einer ständig wachsenden Weltbevölkerung für die Sicherung ihrer Ernährung unbedingt erforderlich ist. Und da die Massenmotorisierung in den Industrieländern eine Tatsache ist und sich darüber hinaus auch für weitere Länder, wie etwa China, abzeichnet, muß es die Aufgabe der Motorenbauer sein, diese Maschine so umweltschonend wie möglich zu konstruieren.

Aus diesem Grund ist Forschung am Verbrennungsmotor nicht nur gerechtfertigt, sie ist sogar unverzichtbar.


1.1     Historischer Rückblick

Die Idee des Verbrennungsmotors geht zurück auf Christian Huygens, dessen 1673 konstruierte Maschine durch die Verbrennung von Schießpulver mechanische Arbeit erzeugte [1].Der Ursprung der heute gebräuchlichen motorischen Arbeitsverfahren liegt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Der erste selbstansaugende Gasmotor mit Funkenzündung stammt von Jean Lenoir (1860) und arbeitete nach dem Vorbild der Dampfmaschine im doppelt wirkenden Zweitakt [1]. Dieser Motor wurde von Nikolaus August Otto weiterentwickelt zum Viertaktmotor mit Gemischverdichtung, erstmals realisiert im Jahre 1876. Seitdem bezeichnet man allgemein Verbrennungskraftmaschinen mit Gemischverdichtung und Fremdzündung als Ottomotoren. Die Lastregelung erfolgt über die Drosselung der Ansaugluft. Dieser wird im annähernd stöchiometrischen Verhältnis Kraftstoff zugefügt, so daß in jedem Betriebspunkt des Motors ein homogenes Gemisch im Brennraum vorliegt; lediglich die Menge ändert sich mit der Last. Diese Quantitätsregelung ist ebenfalls kennzeichnend für das Ottoverfahren.

Im Unterschied dazu sind Dieselmotoren durch Luftverdichtung und Selbstzündung des eingespritzten Kraftstoffes gekennzeichnet. Es verbrennt hier ein inhomogenes Gemisch, weshalb man den Dieselmotor auch als Schichtlademotor bezeichnen könnte. Die Last wird über die eingebrachte Brennstoffmenge eingestellt. Weil das Volumen der angesaugten Luft konstant bleibt (bei gleicher Drehzahl), verändert man somit die Zusammensetzung des Gemisches, also das Luftverhältnis (Qualitätsregelung). Den ersten betriebsfähigen Motor dieser Art konnte sein Erfinder Rudolf Diesel der Welt im Jahr 1897 präsentieren, fünf Jahre, nachdem er seine Idee zum ersten Mal niedergeschrieben hatte. Ursprünglich hatte Diesel den bezüglich seines thermischen Wirkungsgrades optimalen Kreisprozeß von Carnot verwirklichen wollen [2], was sich jedoch als unmöglich erwies. So stellte beispielweise der von Diesel berechnete Verdichtungsenddruck von 245 bar für die Praxis des Motorenbaus ein unüberwindliches Hindernis dar, weshalb man sich bei den ersten Motoren mit etwa 30 bar begnügte. Problematisch war außerdem die Gemischbildung. Die einzig praktikable Lösung in der Frühzeit des Dieselmotorenbaus war die Einblasung des Kraftstoffes in den Brennraum mittels Druckluft. Der dazu erforderliche Kompressor erhöhte allerdings den Bauaufwand beträchtlich und verminderte die effektive Leistung. Trotzdem stand nun ein Verfahren zur Verfügung, das aufgrund seiner Wirtschaftlichkeit den übrigen damals verbreiteten Arbeitsmaschinen (Dampfmaschine, Ottomotor) weit überlegen war. So wurde am ersten Dieselmotor ein Bestverbrauch von nur 325 g/kWh gemessen, was etwa der Hälfte des spezifischen Verbrauchs damaliger Ottomotoren entsprach [3].

Als der erste Dieselmotor erschien, hatten hingegen die Ottomotoren schon einen beachtlichen Entwicklungsstand erreicht. Mit der Erfindung des Vergasers um etwa 1885 war es möglich geworden, sie statt bisher ausschließlich mit Gas auch mit Benzin zu betreiben. Maybach und Daimler glückte zu dieser Zeit die Konstruktion des ersten schnellaufenden Benzinmotors, der sich vor allem durch sein geringes Gewicht auszeichnete und sich folglich auch für den Einbau in Fahrzeuge eignete. Benz erfand die Batteriezündung und machte bereits um die Jahrhundertwende Versuche mit zwei Einlaßventilen je Brennraum. Ein 200-PS-Flugmotor von Benz arbeitete schon 1914 mit Vierventiltechnik. Obwohl der Ottomotor wegen der Quantitätsregelung einen höheren spezifischen Kraftstoffverbrauch als der Dieselmotor besaß, lag sein entscheidender Vorteil in der höheren Leistungsdichte: Schon mit relativ kompakten Motoren ließen sich hohe Leistungen erzielen. Dagegen besaßen die zeitgenössischen Dieselmotoren recht unhandliche Abmessungen, weshalb sie bis in die 20er Jahre des 20. Jahrhunderts hinein fast ausschließlich stationär eingesetzt wurden, ausgenommen der Eisenbahn- und Marinebereich. Das änderte sich mit der Erfindung der Vorkammer (1909), die den Einblaseluftkompressor überflüssig machte. Dieser hatte sich als Haupthindernis auf dem Weg zur kompakten Maschine erwiesen. Ohne Kompressor war die Verwendung des Selbstzünders für automobile Zwecke jetzt möglich und wurde 1922-24 zunächst in Nutzfahrzeugen in die Tat umgesetzt. Auch andere Gemischbildungsverfahren wie die Wirbelkammer und die Hochdruckdirekteinspritzung kamen hierbei zur Anwendung. Der erste Serien-Pkw-Dieselmotor arbeitete nach dem Vorkammerverfahren und wurde 1936 von der Firma Daimler-Benz präsentiert.

Im Bereich der Ottomotoren wurden in der Folgezeit mit der Einführung der Benzineinspritzung bedeutende Fortschritte erzielt. Wie so häufig in der jüngeren Geschichte trieben dabei nicht zuletzt Forderungen von militärischer Seite nach leistungsstarker und zuverlässiger Technik die Entwicklungen voran. So wurden beispielsweise im 2. Weltkrieg deutsche Flugzeuge in großem Umfang mit Einspritzmotoren ausgerüstet. Neben der Saugrohreinspritzung kam auch schon die gegenwärtig wieder äußerst aktuell gewordene direkte Einspritzung in den Zylinder zur Anwendung [4].

Einen vom Arbeitsverfahren unabhängigen Meilenstein in der Entwicklung des Verbrennungsmotors markierte schließlich die Einführung der Aufladung. Schon Maybach, Daimler und Diesel versuchten früh, mit Hilfe der Unterseite des Arbeitskolbens, die als Gebläse wirkte, die Zylinderladung zu erhöhen und dadurch die Leistung zu steigern. Große Verdienste hat sich in diesem Zusammenhang der Schweizer Ingenieur Alfred Büchi erworben, der unter anderem 1915 ein Patent für die erste freilaufende Abgasturboladergruppe erhielt. Die ersten aufgeladenen Fahrzeugmotoren besaßen jedoch meist einen mechanischen Lader, so z.B. der erste serienmäßige Kompressorwagen von Daimler (1921), dessen Ottomotor mit Hilfe eines Rootsgebläses in der Leistung gesteigert wurde. 1938 stellte dann die Firma Saurer den ersten Nutzfahrzeugdieselmotor mit Abgasturboaufladung vor. Im Pkw-Bereich (Ottomotoren) hielt eine solche Konstruktion erst 1962 Einzug in die Serienfertigung (General Motors). 1978 folgte schließlich der erste abgasturboaufgeladene Pkw-Dieselmotor von Daimler-Benz.

1.2     Forschung am Verbrennungsmotor

Verfolgt man die Geschichte des Verbrennungsmotors, so registriert man einen deutlichen Wandel in der Vorgehensweise bei der Motorenentwicklung. Die ersten Motoren wurden auf rein empirischem Weg konstruiert. Zwar war es die Theorie des Carnot-Prozesses, die Rudolf Diesel zu seinem Werk anregte, jedoch tauchten beim Übergang zur Praxis derart viele Schwierigkeiten auf, daß der erste Dieselmotor letztlich ein Ergebnis der Methode „Versuch und Irrtum“ war. Dies ist leicht verständlich: Weder Diesel noch Otto konnten auf detaillierte Forschungsergebnisse zurückgreifen, da Erfahrungen mit dieser neuen Maschine erst noch gemacht werden mußten. Um so erstaunlicher ist daher die Tatsache, daß es gelang, den Verbrennungsmotor bereits im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts als betriebsfähiges Massenprodukt zu vermarkten.

Empirisches Vorgehen war lange Zeit ein notwendiges Übel in der Motorenentwicklung, in der Regel aber ausreichend, um den damaligen Anforderungen an den Verbrennungsmotor wie z.B. Leistung, Wirtschaftlichkeit, geringes Gewicht und kompakte Bauweise gerecht zu werden. Dabei blieb es aber nicht. Etwa gegen Ende der 50er Jahre begann man (zuerst in den Vereinigten Staaten), die Abgas- und Geräuschemissionen von Kraftfahrzeugen und damit auch von Verbrennungsmotoren kritisch unter die Lupe zu nehmen, eine logische Konsequenz aus der beginnenden Massenmotorisierung. Die daraus resultierenden, teilweise neuartigen Anforderungen an den Verbrennungsmotor (niedrige Emissionen, sparsamer Umgang mit Energie und Rohstoffen) zwangen die Motorenentwickler zur gezielten Erforschung des Verbrennungsprozesses. Dabei offenbarten sich rasch immense Wissenslücken. Die Folge war ein regelrechter Forschungsboom in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten, der das Verständnis über die Vorgänge im Motor beträchtlich gefördert hat. Die neuen Erkenntnisse haben bewirkt, daß ein empirisches Vorgehen in der Motorenentwicklung eine immer weniger bedeutende Rolle spielt und statt dessen von analytischen Methoden abgelöst wird. Fernziel ist die Simulation des kompletten Motorprozesses, was in Zukunft die Konstruktion so manch kostspieligen Prototypmotors entbehrlich machen könnte.

1.3     Der Sonderforschungsbereich „Motorische Verbrennung“

Einen Beitrag dazu leistet der am 1. Januar 1984 an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen eingerichtete Sonderforschungsbereich „Motorische Verbrennung“, dessen Ergebnisse in diesem Buch präsentiert werden. Auf der Basis von Experimenten wurden grundlegende Erkenntnisse über den Ablauf der motorischen Verbrennung gewonnen. Auch der Einfluß einzelner, die Verbrennung beeinflussender Parameter wurde untersucht, so daß anhand der erhaltenen Daten Vorgänge im Motor theoretisch nachgebildet und Einzelaspekte rechnerisch simuliert werden können.

Die motorische Verbrennung, die im SFB getrennt für das Otto- und das Dieselverfahren betrachtet wurde, gehört zu den komplexesten Prozessen in der heutigen Technik. Angefangen bei der Gemischbildung und -bewegung über die Zündung und die anschließenden chemischen Reaktionen inklusive der Schadstoffbildung bis hin zur abnormalen Verbrennung beim Klopfen und zur Geräuschanregung laufen diese Vorgänge sich gegenseitig beeinflussend ab. Begleitet werden die Ereignisse im Motor darüber hinaus von Wärmeaustauschprozessen, die sich ebenfalls auf den Verbrennungsablauf auswirken. Letzteres gilt auch für die geometrischen Abmessungen des Brennraums. Schon die meßtechnische Erfassung einzelner Vorgänge, beispielsweise der instationären turbulenten Strömung im Brennraum, erweist sich als ausgesprochen schwierig. Dementsprechend vielfältig sind die Disziplinen der Motorforschung, was die Aufzählung der im Sonderforschungsbereich vertretenen Fachgebiete verdeutlicht: Dampf- und Gasturbinen, Industrieofenbau, Kontinuumsmechanik, Strömungslehre, Thermodynamik, Verbrennungsmotoren sowie Wärmeübertragung. Heutzutage sichert erst die interdisziplinäre Ausführung der Forschungsarbeiten den Fortschritt im Hinblick auf das Verständnis des Verbrennungsprozesses.

1.4     Ottomotoren

In der Sparte Ottomotoren begannen die Arbeiten des Sonderforschungsbereiches während der Einführung der Katalysatortechnik in Europa. Nachdem die Forschung das im Benzin enthaltene Blei als Katalysatorgift und die Bedeutung von Edelmetallen als Katalysatorsubstanz entdeckt hatte, konnten 1975 zunächst der Oxidations- und zwei Jahre später auch der Dreiwegekatalysator in den USA Einzug in die Serienfertigung halten. Mit Hilfe dieser Methode der Abgasnachbehandlung konnte der Ausstoß der wichtigsten gasförmigen Schadstoffe Kohlenmonoxid (CO), Kohlenwasserstoffe (HC) und Stickoxide (NOx) signifikant reduziert werden.

Die Möglichkeit der nachträglichen Abgasreinigung macht aber motorische Maßnahmen zur Schadstoffminderung keineswegs überflüssig, da sich mit günstigen Abgaswerten schon vor dem Katalysator das Gesamtemissionsniveau deutlich absenken läßt. Voraussetzung für die gezielte Beeinflussung der Verbrennung ist ein umfassendes Verständnis über ihren Ablauf, der maßgeblich durch die Brennraumströmung, die Gemischbildung und die Zündung beeinflußt wird.

Die Einführung des Dreiwegekatalysators erforderte eine Gemischbildung mittels elektronisch geregelter Benzineinspritzung, die den bis dahin haupsächlich verwendeten Vergaser  ersetzte. Die Regelung sorgt für eine annähernd konstante Mischung von Kraftstoff und Luft im stöchiometrischen Verhältnis, was die Voraussetzung für maximale Katalysatorwirkungsgrade ist. Gegenüber dem Vergaser treten jedoch bei der Einspritzung stärkere Probleme hinsichtlich der Kraftstoffzerstäubung und -verdampfung sowie der Gemischhomogenität auf (Kapitel 3.1).

Für die Qualität der ottomotorischen Verbrennung ist auch die Zündung von großer Bedeutung. Seit langem schon ist bekannt, daß eine später Zündzeitpunkt ein Absinken der NOx und HC-Emissionen zur Folge hat, sich aber leider ungünstig auf den Kraftstoffverbrauch auswirkt. Hier ist ein guter Kompromiß gefordert, den man heute mit elektronischen Zündanlagen für jeden Betriebspunkt des Motors realisieren kann. Schwierigkeiten bereitet den Konstrukteuren die Entflammung reaktionsträger magerer Gemische, wie sie bei innovativen Motorkonzepten in der Regel vorliegen. Abhilfe könnten sogenannte Plasmastrahlzündsysteme schaffen. Eine höchst interessante Variante eines solchen Systems wurde in einem Projekt des SFB entwickelt (Kapitel 3.2). Bisher bekannte Zündanlagen dieser Art benötigen sehr hohe elektrische Energien zur Erzeugung des Plasmastrahls, weshalb eine Serieneinführung noch nicht erfolgt ist. Dies und weitere Probleme galt es also in dem Projekt zu lösen.

Wie schon angedeutet, ermöglichen Fortschritte auf dem Gebiet der Zündung die Umsetzung alternativer Motorkonzepte. Denn die oben beschriebene Lambda-1-Regelung in Verbindung mit einem Dreiwegekatalysator ist zwar gegenwärtig in Pkw-Ottomotoren vorherrschend, stellt aber nicht die einzige Möglichkeit dar, Verbrauch und Emissionen zu optimieren. Eine andere Strategie ist unter dem Namen „Magermotor“ bekannt geworden, da das Gemisch vor allem im Teillastbereich einen hohen Luftüberschuß aufweist, also sehr „mager“ ist. Auf diese Weise lassen sich Kraftstoffverbrauch und Schadstoffemissionen, in erster Linie NOx, absenken. Eine besonders effektive Maßnahme zur NOx-Minderung ist die Abgasrückführung. Hierbei wird ein Teil des Abgasstroms dem Frischgemisch zugeführt, so daß dieses Abgas erneut an der Verbrennung teilnimmt. Auch die Abgasrückführung kann als Variante des Magermotors bezeichnet werden. Das in diesem Zusammenhang aktuellste Konzept repräsentiert der Schichtlademotor, dessen wesentliches Merkmal die Einspritzung des Benzins direkt in den Brennraum ist. Das erlaubt die gezielte Bereitstellung von reichem Gemisch unmittelbar an der Zündkerze, welches sicher entflammt werden kann, obwohl das Luftverhältnis über den gesamten Zylinder sehr hohe Werte nahe oder sogar jenseits der Zündgrenze annehmen kann. Bei einer derart geschichteten Ladung ist aber die Stabilisierung der Verbrennung problematisch, weil die Flamme in Bereichen sehr magerer Mischungen vorzeitig erlöschen kann, was dann zu erhöhten HC-Emissionen führt. Nützliche Erkenntnisse liefern dazu die betreffenden Arbeiten des SFB (Kapitel 3.3), in denen der Verbrennungsablauf mit Hilfe neuer Methoden der Meßtechnik (Kapitel 6) mit optischen Sonden, Laserstrahlen und Hochgeschwindigkeitsfotografie erforscht wurde.

Wie anfangs schon angesprochen, bleibt der Technik schließlich noch die Möglichkeit, über die Strömung im Brennraum die Verbrennung zu beeinflussen. In den Mitte der 80er Jahre vorherrschenden Zweiventilmotoren spielte dabei die Drallströmung, bei der die Ladung um die Zylinderlängsachse rotiert, die Hauptrolle. Diese läßt sich in Vierventilmotoren nur durch Abschaltung eines der beiden Einlaßkanäle erreichen, was in jüngster Zeit angewendet wird[5]. Ohne diese Maßnahme bildet sich eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Tumble-Strömung aus, d.h. die Ladung rotiert um eine Achse, die senkrecht auf der Zylinderlängsachse steht. Die Einlaßkanalabschaltung bei Vierventilmotoren erlaubt eine sinnvolle Kombination beider Strömungsvarianten in Abhängigkeit von der Drehzahl [5]. Durch sorgfältige Gestaltung solcher Brennraumströmungen läßt sich eine sehr gute Gemischbildung erreichen. Es mangelte bisher jedoch an numerischen Verfahren, die die Auslegung einer Strömung schon in der Entwurfsphase des Motors zumindest näherungsweise gestatten. Daran wurde im SFB gearbeitet, so daß in Kapitel 2.1 Simulationsverfahren für Brennraumströmungen vorgestellt werden, verglichen mit Daten aus parallel durchgeführten Experimenten. Unter Verwendung schlierenoptischer Meßverfahren oder z.B. der Particle-Image-Velocimetry (Kapitel 6) lassen sich Strömungen heute sehr gut visualisieren, so daß berechnete Strömungsfelder auf ihre Realitätsnähe hin überprüft werden können.

Moderne Ottomotoren besitzen überwiegend mehr als zwei Ventile je Zylinder, meist sind es vier, neuerdings sogar bis zu fünf. Speziell der Vierventilmotor wurde auch im SFB untersucht (Kapitel 5), wobei deutliche Vorteile gegenüber dem Zweiventiler zu verzeichnen sind. Ebenfalls Auswirkungen auf die Praxis des Motorenbaus haben Ergebnisse aus SFB-Arbeiten über die Bedeutung des Hub/Bohrungsverhältnisses. Tendenziell weist der langhubig ausgelegte Motor Vorteile hinsichtlich Wirkungsgrad und Abgasverhalten auf.

1.5     Dieselmotoren

Als 1984 die Arbeiten im Rahmen des SFB begannen, galt der Dieselmotor als umweltfreundlicher Pkw-Antrieb. Der Grund dafür ist sein gegenüber Ottomotoren äußerst niedriger Ausstoß an gasförmigen Schadstoffen (CO, HC, NOx). Weil der Diesel darüber hinaus noch vorbildlich sparsam mit dem relativ billigen Kraftstoff umgeht, machten seit Ende der 70er Jahre Dieselfahrzeuge einen beachtlichen Teil der Pkw-Neuzulassungen aus. Lediglich die Rußemissionen trübten das ansonsten sehr positive Erscheinungsbild. Als dann einige Wissenschaftler gegen Ende der 80er die auf Tierversuchen basierende Behauptung verbreiteten, Dieselruß sei krebserregend, erfuhren die Zulassungszahlen der Diesel-Pkw einen deutlichen Einbruch; der Staat hatte sich entschieden, über die Kfz-Steuer Fahrzeuge mit Ottomotor und Katalysator zu begünstigen, Diesel-Pkw dagegen quasi mit einer „Strafsteuer“ zu belegen. Neueste Untersuchungen besagen jedoch, daß die Behauptung, Dieselruß habe nachweislich eine kanzerogene Wirkung auf den Menschen, in dieser Form nicht haltbar ist. Allerdings läßt sich kein Gegenbeweis führen. Bis heute muß sich der Dieselmotor als Pkw-Antrieb in Deutschland gegen eine restriktive Steuerpolitik behaupten.

Die Partikelemissionen des Dieselmotors waren schon früh Gegenstand der Forschung, ebenso wie die Schallabstrahlung. Zwar ist bekannt, daß die Gestaltung von Gemischbildung und Verbrennung analog zum Ottomotor entscheidend für die Leistungsausbeute und Abgasqualität sind, doch liegen gerade hier die Hauptprobleme. Das wird deutlich, wenn man sich einmal vor Augen führt, daß die Einzelvorgänge Kraftstoffeinspritzung, Gemischbildung, Selbstzündung und Verbrennung in Automobilmotoren im Bereich von tausendstel Sekunden ablaufen.

Im SFB wurde besonders dem Gebiet der Gemischaufbereitung große Aufmerksamkeitgeschenkt (Kapitel 4.2). Die Arbeiten waren teils experimenteller, teils theoretischer Natur (z.B. Rechenmodelle zur Ausbreitung des eingespritzten Kraftstoffs). In einer Druckkammer wurden Strahlausbreitung, Zerstäubung und Verdampfung unter dieselmotorischen Verhältnissen mit Hilfe von Optoelektronik und Lasertechnik (Kapitel 6) untersucht. Daß in diesen Versuchen in erster Linie die direkte Einspritzung betrachtet wurde, trägt der Tatsache Rechnung, daß sich dieses wirtschaftlichste aller Brennverfahren auf dem Nutzfahrzeugsektor bereits in den 60er Jahren durchgesetzt hat und auch im Pkw-Bereich zur Zeit auf dem Vormarsch ist.

In direkteinspritzenden Dieselmotoren ist die Gemischbildung noch weitaus stärker auf eine zweckmäßig gestaltete Brennraumströmung angewiesen als dies in Ottomotoren der Fall ist. Im allgemeinen bildet man in der Motorenpraxis den Einlaßkanal als Drallkanal aus, so daß die angesaugte Luft in Rotation um die Zylinderlängsachse versetzt wird. Der eingespritzte Kraftstoff kann sich so intensiv mit der Luft vermischen. Bei der Auslegung strömungsgünstig geformter Kanäle und Brennräume helfen die Arbeiten aus dem SFB (Kapitel 2.1). Neuerdings zeichnet sich vor allem bei den Nutzfahrzeugmotoren der Trend ab, die Gemischbildungsenergie von der Verbrennungsluft in den Einspritzstrahl zu verlagern. Das erfordert sehr hohe Einspritzdrücke (bis zu 1600 bar) und die Verwendung von Vielstrahldüsen mit 7 bis 9 Spritzlöchern zur feinsten Kraftstoffzerstäubung; das Drallniveau liegt dabei sehr niedrig [6],[7].

Äquivalent zu entsprechenden Ottomotoren wurde im SFB auch das Betriebsverhalten von Vierventildieselmotoren untersucht (Kapitel 5). Ein solches Konzept hat viele Vorteile, wie beispielsweise die zentrale Anordnung der Einspritzdüse mit daraus resultierenden gleichen Wegen für jeden Einspritzstrahl, was eine gute Voraussetzung für eine optimale Verbrennung darstellt.

Von einer qualitativ hochwertigen Verbrennung im Dieselmotor zeugt vor allem ein sauberes Abgas. Die berüchtigten Rußfahnen, die in der Vergangenheit besonders bei Nutzfahrzeugen zu beobachten waren, treten bei heutigen Motoren in der Regel nicht mehr auf. Leider mußten die Motorenentwickler die Erfahrung machen, daß eine Reduzierung der Partikelemissionen einen erhöhten NOx-Anteil im Abgas zur Folge hat und umgekehrt. Wie so oft in der Technik ist also auch in diesem Zusammenhang ein akzeptabler Kompromiß gefordert. Hilfreich ist dabei eine genaue Untersuchung der Verbrennung, um z.B. die die Rußentstehung begleitenden Randbedingungen erfassen zu können. Eben jene Beobachtungen hat man im SFB in einer (oben schon erwähnten) optisch zugänglichen Druckkammer durchgeführt. Mit dem sogenannten Lichtextinktionsverfahren (Kapitel 6) konnten umfassende Erkenntnisse über die Rußbildung und -oxidation im Brennraum gewonnen werden (Kapitel 4.4).

Schließlich sind noch die SFB-Projekte zur Akustik des Dieselmotors zu nennen (Kapitel 4.4). Dabei spielt auch der Ablauf der Selbstzündung eine sehr wichtige Rolle. Ein kurzer Zündverzug wirkt sich günstig auf die Geräuschemissionen aus, weshalb Motoren mit unterteiltem Brennraum im allgemeinen akustisch günstiger sind als Direkteinspritzer. In ausgeführten Pkw-Motoren mit direkter Einspritzung hilft man sich mit der Voreinspritzung einer kleinen Kraftstoffmenge zur gezielten Einleitung der Verbrennung. Im SFB wurde der Einspritzstrahl spektroskopisch (Kapitel 6) untersucht und die Abläufe in ihm bis hin zur Selbstzündung verfolgt (Kap 4.3).

Auch im Ottomotor ist die Selbstzündung von Bedeutung, und zwar bei der klopfenden Verbrennung. Das Phänomen des Klopfens beschränkt das zulässige Verdichtungsverhältnis in Ottomotoren und damit deren Wirkungsgrad. Es lohnt sich daher, die klopfende Verbrennung experimentell zu beobachten. Dies geschah im SFB unter Anwendung optischer Meßmethoden wie Lichtleitermeßtechnik und laserinduzierter Fluoreszenz (Kapitel 6). Ergebnisse solcher Untersuchungen (Kapitel 3.4) haben sich beispielweise in der Gestaltung sogenannter klopffester Brennräume niedergeschlagen.

1.6     Ausblick

Angesichts sich weiter verschärfender Emissionsgrenzwerte wird die Verringerung des Schadstoffausstoßes und des Verbrauchs oberstes Entwicklungsziel im Motorenbau bleiben. Bei Ottomotoren läßt sich durch Reduktion des Hubvolumens in Verbindung mit Mehrventiltechnik und Aufladung („Downsizing“) neben der Leistungssteigerung insbesondere eine Absenkung des Kraftstoffkonsums erreichen [8],[9]. Auch Magerkonzepte bergen in dieser Hinsicht ein beachtliches Potential. Allerdings bereitet bei Magermotoren die Beherrschung vor allem des NOx-Ausstoßes noch Probleme, so daß diese innovativen Konzepte neue Katalysatortechniken wie den DeNOx-Katalysator erfordern können. Aber auch bei herkömmlichen Lambda-1-Konzepten werden Verbesserungen in der Katalysatortechnik ihren Beitrag zur Schadstoffminimierung leisten, so daß der Ottomotor Abgaswerte erreichen wird, die noch vor zwanzig Jahren schlichtweg als utopisch galten.

Vom direkteinspritzenden Schichtlademotor als nächsten Entwicklungsschritt verspricht man sich eine Kraftstoffersparnis von etwa 15% gegenüber heutigen Ottomotoren, wobei auch hier die NOx-Problematik noch nicht befriedigend gelöst ist. Ferner wird das Problem der Partikelemission bei der Entwicklung des Gemischbildungssystems eine gewichtige Rolle spielen.

In der Dieselmotorentechnik spielt die Aufladung, meist in Verbindung mit Ladeluftkühlung, schon jetzt eine extrem wichtige Rolle. Besonders Nutzfahrzeugmotoren könnten ohne diese Maßnahmen nicht die strengen Abgasnormen erfüllen. Bedeutende Fortschritte sind hier vor allem auf dem Gebiet der Einspritztechnik zu erwarten. Nahezu jeder Motorenhersteller arbeitet am „Common-Rail-System“, mit dem sich sowohl Einspritzzeitpunkt als auch Einspritzverlauf frei wählen lassen. Das ermöglicht eine kennfeldgesteuerte elektronische Einspritzung zur Optimierung von Verbrauch und Abgas. Bei den Automobilmotoren zeichnet sich eine immer weitere Verbreitung der Direkteinspritzung ab. Weitere Verbesserungen hinsichtlich Leistung, Verbrauch und Abgas sind beispielsweise von der Mehrventiltechnik zu erwarten. Werden in Zukunft extreme Anforderungen an die Abgasqualität gestellt, wird der Einsatz von Rußfiltern unumgänglich werden. Hier ist noch viel Forschungsarbeit vonnöten, da die Regeneration der Filter noch viele Probleme bereitet. Ähnliches gilt auch für die NOx-Reduktion, wozu wie im Bereich der Ottomotoren an einem DeNOx-Katalysator gearbeitet wird.

Schon diese kleine Aufzählung möglicher Techniken für die Verbrennungskraftmaschine der Zukunft läßt erkennen, daß in dieser „betagten“ Erfindung noch immer ein enormes Entwicklungspotential liegt, weshalb es der Forschung am Verbrennungsmotor also noch lange nicht an Arbeit mangeln wird. Welch herausragende Bedeutung sie für die Motorenentwicklung hat, zeigt das Beispiel des Sonderforschungsbereichs „Motorische Verbrennung“.


1.7     Literatur



[1]        F. Sass: „Geschichte des deutschen Verbrennungsmotorenbaus von 1860 bis 1918“,
          Springer, 1962

[2]        R. Diesel: „Theorie und Konstruktion eines rationellen Wärmemotors“, Springer, 1893

[3]        A. Wiartalla: „Der Dieselmotor - ein Konzept im Wandel der Zeit“, Promotionsvortrag,
          1995

[4]        F.A.F. Schmidt: „Verbrennungskraftmaschinen“, Verlag R. Oldenbourg, 1951

[5]        R.J. Menne : „Der neue DOHC-24-Ventil-V6-Motor mit 2,5 l Hubraum für den Ford
          Mondeo“, MTZ 55 (1994) 9

[6]        W. Held: „Die Weiterentwicklung des Nutzfahrzeugdieselmotors unter Euro-3-
          Gesichtspunkten“, 5. Aachener Kolloquium Fahrzeug- und Motorentechnik, 1995

[7]        F.X. Moser: „Die neuen wassergekühlten Deutz-Dieselmotoren BFM 1015“, MTZ 55
          (1994) 78

[8]        H.-J. Neußer: „Konzeptstrategien für zukünftige verbrauchs- und emissionsgünstige
          Ottomotoren“, 5. Aachener Kolloquium Fahrzeug- und Motorentechnik, 1995

[9]        H.-D. Erdmann: „Anforderungen an Ottomotoren zur Erfüllung aller künftigen
          Emissions- und Kraftstoffverbrauchsvorschriften“, 5. Aachener Kolloquium Fahrzeug-
          und Motorentechnik 1995



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